Jacques Offenbachs „La Périchole“ in Wien: Grell, überdreht, schrill und gagreich

Xl_perichole-wien-1-23-2 © Werner Kmetitsch

„Peru darf nicht Österreich werden“: So warnt uns ein die ganze Bühne ausfüllendes Wahlplakat in Anspielung an einer österreichischen Partei, der FPÖ, aus dem Jahre 1996. Und es zeigt das riesige Konterfei des Vizekönigs von Peru Don Andrés de Ribiera. Und darunter steht in großen Lettern: „Der Vizekönig sagt, was ihr wollt!“ Teilweise wurden diese mit „er macht, was er will!“ übersprüht. Das Plakat spielt auch so manche andere Stückerln: Es kann mit den Augen rollen und kann sich im Mundbereich öffnen. In diesem Fall sieht man nicht nur Zähne, sondern eine Zunge mit Stufen, über die man den Königspalast betreten kann. Auch sonst spart der Regisseur Nikolaus Habjan bei seiner recht freien Bearbeitung von Jacques Offenbachs Opera bouffe „La Périchole“ am Theater an der Wien, das wegen Umbaus wieder an der Ausweichstätte im Museumsquartier stattfindet, nicht mit einer Unmenge aktueller Anspielungen und Ansagen aus der österreichischen Innenpolitik: Wie etwa „Da bleiben nur Alkohol oder Psychopharmaka übrig“ oder „Ich liebe meinen Vizekönig!“ Deren Geschichte ist schon etwas hanebüchen und konnte auch schon zur Zeit der Uraufführung 1868 nicht mehr wirklich überzeugen: Ein armes Straßensängerehepaar gerät in die Fänge eines lüsternen, peruanischen Vizekönigs, der, von ihr optisch verzückt, sie zu seiner Mätresse machen will. Letztlich schenkt er nach einigen buffonesker Turbulenzen und Verwicklungen vor laufender TV-Kamera beiden doch die Freiheit.

Und Habjan, der bei seinen Inszenierungen eigentlich immer viele, selbstangefertigte Puppen mitspielen lässt, zeigt diesmal eine solche erst gegen Schluss. Der im Stück vorkommende, langjährige Gefangene ist der altgewordene, ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Viele der Sprüche sind witzig und hochaktuell, viele wirken allerdings auch ziemlich platt und insgesamt häufen sie sich allzu sehr.

Ansonsten wird im Bühnenbild von Julius Theodor Semmelmann mit einem seitlichen in einem rosaroten Würstelstand „Zu den drei Cousinen“, das im zweiten Akt einen geschmackvollen Innenraum des Palastes mit eleganten Theaterlogen zeigt, mit völlig überzogenen Kostümen (Cedric Mpaka), temporeich, grell und witzig agiert, auch mit Auftritten über den Zuschauerraum. Das Timing der Pointen passt und es wird reichlich gesoffen.

Anna Lucia Richter, bei ihrem Ausflug ins Mezzofach, spielt und singt die „Straßensängerin“ - so auch der deutsche Titel der Operette und es wird auch auf Deutsch gesungen - mit komödiantischem Tiefgang, sattem Mezzo und leuchtenden Höhen. David Fischer singt ihren Geliebten Piquillo mit schön geführtem, kraftvollem und flexiblem Tenor und ungefährdeten Höhen. Diese beiden Rollen sind die einzigen, die mit Opernsängern besetzt sind. Die anderen werden von singenden Schauspielern gut bewältigt. Alexander Strömer als Arzt oder Kerkermeister verkleidet singt den Vizekönig gut und ist sehr spielfreudig. Aus den vielen anderen Partien ragen vor allem mit viel Humor Boris Eder als Graf Panatellas und Gerhard Ernst als Stadtkommandant Pedro hervor. Sehr homogen singt und spielfreudig agiert der Arnold Schoenberg Chor.

Jordan der Souza am Pult und das ORF-Radiosymphonieorchester Wien musizieren Offenbachs Musik, die zwischen unwiderstehlicher Can-Can Rasanz und französischer Liedkunst changiert, mit nur ganz kleinen Irritationen beim Zusammenspiel, mit schwungvollem Schmiss, weichem Klang und duftiger Leichtigkeit aber auch liebevoll mit feinen Lyrismen.

Großer begeisterter Jubel eines manchmal etwas trivialen aber durchaus hörenswerten Stücks!

Dr. Helmut Christian Mayer

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