Antonio Stradivari (1644-1737), bekanntlich ein legendärer Geigenbauer aus Cremona, schuf Instrumente von großer Vollendung und von heute unschätzbarem Wert. Janine Jansen, aus einer holländischen Musikerfamilie stammend und vielfach preisausgezeichnet, zählt heute zu den bedeutendsten Geigerinnen der Gegenwart, die mit den bedeutendsten Orchestern und als Kammermusikerin weltweit auftritt. Sie wurde nach London eingeladen, um auf zwölf der weltbekanntesten Stradivari Geigen zu spielen und für jedes Instrument ein passendes Stück auszusuchen. Bei diesem ambitionierten Vorhaben wurde sie vom vielfach preisausgezeichneten Filmemacher Gerald Fox begleitet, der eine Dokumentation darüber drehte und anschließend das Konzert aufnahm, was auch schon mit dem TV-Preis „Golden Prague 2021“ ausgezeichnet wurde. ARTHAUS MUSIK hat jetzt über dieses singuläre Ereignis eine Blu-ray-Disc (Nr. 109453) mit dem Titel "Falling for Stradivari" veröffentlicht. Es ist eine hochinteressante Dokumentation geworden, wo nicht nur das sehr detaillierte Vergleichen der exquisiten Instrumente in puncto Charakter und Klang ausführlich gezeigt wird, sondern auch das doch schwierige Ringen, jeder Geige das entsprechende und passende Musikstück zuzuordnen. Darüber hinaus erfährt man über die enormen Schwierigkeiten, diese wertvollen Instrumente aus aller Welt zur selben Zeit an einen Ort zu bringen sowie viel über die Geschichte dieser Instrumente, die meist nach einem Virtuosen genannt sind, der darauf gespielt hat, und über Stradivari selbst. Es kommen in Interviews natürlich eine von den geigerischen Schätzen faszinierte Jansen aber auch ihr Begleiter Sir Antonio Pappano, Geigenbauer, Händler, Historiker und Sammler zu Wort. Und immer wieder wird Archiv-Material hineingeschnitten, wo man Ida Haendel, Fritz Kreisler, Nathan Milstein und Oscar Shumsky auf eben diesen Violinen hören kann, die der Interpretation von Jansen jeweils gegenübergestellt wird.
Im zweiten Teil erlebt man dann das Konzert, aufgenommen in der Cadogan Hall in London. Dabei hört man eine ungemein tonrein, nuancen- und farbenreich musizierende Janine Jansen, die auch mit feinen Lyrismen und höchster Virtuosität glänzt, wobei es ihr gelungen ist, mit ihrem Spiel auf den eigenen Charakter jedes Instrument wunderbar einzugehen sowie dass die Auswahl der Stücke ideal für die jeweilige Violine passt.
Und diese reichen von Clara Schumann mit der Romanze Nr. 1, gespielt auf der Stadivari San Lorenzo 1718, über zwei Fritz Kreisler Violinen, von dem das „Liebesleid“ aber auch der von ihm arrangierte „Danse Espagnole“ von Manuel de Falla zu hören ist, bis zu „Sospir“ von Edvard Elgar, gespielt auf einer Tyrell 1717. Jerome Kerns: „Yesterday from Roberta“ wird auf einer Shumsly Rode 1715 gespielt, jener Stradivari aus seiner sogenannten goldenen Periode, mit der Jansen ständig musiziert, die sie auch selbst als ihr „Baby“ bezeichnet und die ihr von einem Mäzen zur Verfügung gestellt wurde.
Am Klavier kann man keinen Geringeren als Sir Antonio Pappano, den GMD des Royal Opera House Covent Garden London und des Orchesters dell‘Accademia Nazionale di Santa Cecilia Roma erleben, den man schon in der Dokumentation zuvor bei der Probenarbeit gemeinsam mit Jansen an der Interpretation jedes Stücks feilen sieht und der sich dann beim Rezital als rücksichtsvoller und stilsicherer Begleiter erweist.
Dr. Helmut Christian Mayer
K
28. April 2022 | Drucken
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