Vergangenen Juli feierte Jonas Kaufmann seinen 50. Geburtstag. Als Geburtstagsgeschenk für ihn kam jetzt kürzlich bei Arthaus Musik eine Sammlung von drei DVDs heraus, die uns in die Anfänge des jungen Münchner Tenors führen, als er mit etwas über 30 Jahren am Opernhaus Zürich Fuß fasste. Natürlich gibt es mittlerweile zahlreiche DVDs von seinen Auftritten weltweit in seinen großen Rollen und Höhepunkten seiner großen und vielseitigen Karriere. Trotzdem ist es faszinierend, auf seinen Beginn zurückzublicken. Die drei Opernmitschnitte fallen in die Züricher Intendanz von Alexander Pereira, der ja bekanntlich ein gutes Händchen für junge Sänger hatte und der auch gerne seine Produktionen aufzeichnen ließ.
Im Februar 2002 sang er 33-jährig den Telemaco, eine klassische Nebenrolle in Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“. Mit seinem wunderbar wohlklingenden, schon damals typischen Timbre und seinem weniger gutturalen und noch heller klingenden Tenor faszinierte er als Sohn des Titelhelden des Odysseus, der ungemein präsent und intensiv von Dietrich Henschel verkörpert wurde. Neben diesen war Vesselina Kasarova eine phänomenale Pénélope sowie Malin Hartelius ein klarer Melanto.
Was die Aufnahme noch mehr ins Außergewöhnliche hebt, ist die Interpretation des großen Nikolaus Harnoncourt und des Orchesters des Züricher Opernhauses: Akzentreich, auch durchaus auch manchmal schroff, wenn es notwendig war, frisch, immer spannend und vor allem stilecht erklang das Werk.
Mit zum guten Gelingen trug auch die schlichte aber symbolstarke Inszenierung von Klaus-Michael Grüber auf der archaisch wirkenden, meist fast leeren Bühne mit einem mit antik-stilisierten in blauweiß Farbtönen gehaltenen Mustern und Figuren am Boden, die in passenden Lichtstimmungen durchaus magisch wirkten.
Nur zwei Monate später, im April 2002 sang Kaufmann bei der nächsten Premiere wieder mit. Diesmal den Lindoro, die Rolle eines italienischen Spieltenors mit ambitionierter Darstellung und wahrem Schöngesang. Es war eine Figur aus Giovanni Paisiellos „Nina“, eine absolute Rarität und kaum auf irgendwelchen Spielplänen zu finden. Aber auch für die Aufführung von selten gespielten Opern war das Züricher Opernhaus bekannt. Dieses Musikdrama für Cecilia Bartoli angesetzt. Sie verkörperte darin die Titelheldin, die aus verzweifelter Liebe verrückt wird, weil sie glaubt, dass ihr Liebhaber Lindoro tot ist. Wie erwartet, sang sie die Partie ungemein brillant mit allen diffizilsten Koloraturen, extremen Sprüngen und höchsten Höhen. Neben den beiden gefielen auch László Polgár als kerniger Conte sowie Juliette Galstian als schönstimmige Susanna und Angelo Veccia als Giorgio.
Am Pult des wieder bestens disponierten Orchesters der Züricher Oper ließ Adam Fischer die Musiker mit großer Spielfreude und Schwung aufspielen.
Cesare Lievi, mit dem Bartoli bevorzugt zusammenarbeitet, zeigte eine durchaus traditionellere Inszenierung mit viel Witz, intensivem Spiel und flotter Agilität in traditionellen Kostümen, in einem grauen Raum mit großem Fenster. Einziger Wehrmutstropfen waren die ausufernden, langen Dialoge, die durchaus einige Striche vertragen hätten.
Zwei Jahre später, im Jänner 2004 erlebte man dann Jonas Kaufmann schon fast 35-jährig erstmals in Zürich in einer Hauptrolle: Er verkörperte in Ludwig van Beethovens „Fidelio“ den Florestan. Dabei erlauschte man erstmalig bewusst sein phänomenales Piano, das speziell bei seiner Auftrittsarie „Gott! Welch Dunkel hier“ aus dem Nichts heranschwellend bruchlos bis ins Forte erklang. Optisch zerrauft und verwirrt setzte er dabei auf absoluten Schöngesang und nicht so sehr auf Dramatik. Wieder standen exzellente Mitstreiter neben ihm auf der Bühne: Die junge Camilla Nylund als damals noch sehr lyrische und ungemein schön singende Leonore – Es waren überhaupt die lyrischen Stimmen, die Harnoncourt bevorzugte - Weiters László Polgár als weicher Rocco, Alfred Muff als bösartiger, etwas angestrengt wirkender Don Pizzaro, sowie der ebenfalls ganz junge, erst 28-jährige Günther Groissböck als wunderbarer Don Fernando. Christoph Strehl war damals der ideale Jaquino und Elizabeth Rae Magnuson die solide Marzelline. Natürlich darf man den sehr ausgewogenen Chor der Zürcher Oper nicht vergessen.
Und wieder stand der unvergessene Nikolaus Harnoncourt am Pult des Orchesters der Züricher Oper, der dem Werk seine eigene, individuelle Handschrift verpasste und keine Sekunde Langeweile aufkommen ließ. Natürlich verzichtete er auf die Leonore-Ouvertüre Nr. 3 vor dem Schlussbild.
Intensiv und klar ließ Jürgen Flimm die Protagonisten in seiner Inszenierung die Handlung spielen.
Dr. Helmut Christian Mayer
30. April 2020 | Drucken
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