Klagenfurt: Puccinis "Tosca" als Erschaffung einer eigenen Realität

Xl_tosca-__karlheinz_fessl-9-24-2 © Karlheinz Fessl

„Vissi d’arte“: Shelley Jackson weiß als Titelheldin nicht nur bei ihrer Paradearie mit Innigkeit zu begeistern, sondern auch sonst mit vielen Nuancen und Farben sowie mit kraftvollen, dramatischen Ausbrüchen. Aber nicht nur sie, sondern auch die meisten anderen Protagonisten können bei Giacomo Puccinis „Tosca“, der diesjährigen Eröffnungsproduktion am Stadttheater Klagenfurt in Kärnten Großteils punkten. So singt Alexandros Tsilogiannis, dem eine schrecklich unpassende, blonde Perücke verpasst wurde, den Cavaradossi mit einem ausgesprochen schönen aber für die Rolle etwas zu lyrischen, ausdrucksstarken Tenor. Er gerät jedoch bei seinen dramatischen Stellen immer wieder an seine Grenzen, seine „Vittoria“ – Rufe hält er eher kurz. Den von ihm fein gesungenen Hit „E lucevan le stelle“ muss er vor einer öden Holzwand mit Türen singen. Als extrem ungustiöser Scarpia mit abstoßender Mimik erlebt man Ivan Krutikov mit machtvollem Bariton, der immer wieder in der Garderobe an der Kleidung von Tosca herumschnüffelt. Neben dem stimmgewaltigen Chor des Hauses (Einstudierung: Günter Wallner) und der jugendlichen Singakademie des Stadttheaters hört man bei den kleineren Rollen Rupert Grössinger als knorrigen Angelotti und Maurice Avitabile als kernigen Mesner sowie David Jagodic als idealen Spoletta.

Weil die Sängerin und Sänger doch zu einigen rhythmischen Eigenheiten neigen, muss Nicholas Milton am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters öfters spontan darauf reagieren. Bei zugespitzter Dynamik wird reich an Schattierungen mit viel Spannung aber auch feinen Klangschönheiten musiziert.

Allerdings korrespondiert die musikalische Schönheit nicht mit der Szene, denn diese ist sehr nüchtern, ja ausgesprochen hässlich und zeigt uns hauptsächlich die hintere Seite von Kulissen und Toscas Garderobe, wohin sie sich immer wieder, auch mitten im Gesang aus ihrer Rolle genervt zurückzieht. Hier steht völlig deplaziert eine Madonnenstatue. Von einer Kirche, einem Palazzo, den eine hässliche Polizeizentrale mit braunen Türen ersetzt, oder der Engelsburg findet sich keine Spur. Regisseur Immo Karaman und sein Team lassen den Verismo-Edelreißer als Theater im Theater in den vergangenen 70er Jahren spielen, wobei der Plot ständig zwischen Realität und Fiktion schwankt. Wirklich erhellend ist diese Konzeption allerdings nicht. Von einer gewissen Ästhetik ist einzig das Finale, wenn sich der Raum weit öffnet und Cavaradossi in die Nebelschwaden hineinschreitet und wenn plötzlich eine Reihe Scheinwerfer aufflammen und Gewehrschüsse knattern. Dann schreitet Tosca jetzt im legendären roten Samtkleid der Maria Callas auf einer schmalen Treppe ins Licht.

Dr. Helmut Christian Mayer

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