Korngolds „Stumme Serenade“ an der Wiener Kammeroper: Ein aus der Zeit gefallenes Stück

Xl_stumme_serenade-herwig-prammer-kop-6-23-2 © Herwig Prammer

Ein Unbekannter sei nächtens bei ihr eingedrungen, habe sie geküsst und wollte sie möglicherweise entführen: Das glaubt zumindest die bekannte Schauspielerin Silvia Lombardi, die Verlobte des neapolitanischen Ministerpräsidenten. Der Modeschöpfer Andrea Coclé, der sie auch tatsächlich liebt und an diesem Abend auch in ihrem Garten war, gerät unter Verdacht und bald in die Fänge des Polizeiapparates. Das Dumme ist nur, dass in Neapel für eine solche Tat, die Todesstrafe steht. Gleichzeitig hat ein unbekannter Täter unter das Bett des Ministerpräsidenten eine Bombe gelegt. Der König von Neapel will aber diesen Täter, obwohl noch gar nicht gefasst, begnadigen. Und so wird Coclé, der mittlerweile schon im Gefängnis schmort, überredet, beide Taten auf sich zu nehmen. Nach einigen Verwirrungen und Wendungen, wo sich bald keiner mehr auskennt, gibt es dann aber doch ein Happyend: Das ist die ziemlich banale und krause Handlung von „Die stumme Serenade“, dessen Libretto von Raoul Auernheimer, Victor Clement, Bert Reisfeld und vom Komponisten selbst verfasst wurde. Diesen Text hat Erich Wolfgang Korngold als sein letztes Bühnenwerk 1950 als eine „Komödie mit Musik“ vertont. Die szenische Uraufführung fand 1954 in Dortmund statt, vom Publikum umjubelt, von den Kritikern verrissen. Dann passierte Jahrzehnte lang nichts bis es zu Aufführungen in Saarbrücken, Lübeck, Freiburg und Coburg kam. Und jetzt fand in der Wiener Kammeroper die österreichische Erstaufführung statt. Wer etwas Ähnliches wie eine „Tote Stadt“ erwartet hat, wurde enttäuscht, denn der in die USA emigrierte österreichische Komponist, wo er bekanntlich hauptsächlich als Tonschöpfer von Filmen reüssierte, liebte das Operettengenre. Er bearbeitete schon zuvor Werke von Johann Strauß, Jacques Offenbach und Leo Fall. „Die stumme Serenade“ wurde eine Operette im Stil von Franz Lehár und Emmerich Kálmán, durchmischt mit ein paar modischen Tänzen, instrumentiert für ein zehnköpfiges Broadway-Ensemble, in dem zwei Klaviere für Fülle sorgen.

Korngolds persönlicher Stil ist immer noch unverkennbar vorhanden, mit seinem Duft und seinen Schwülstigkeiten. Aber er schwächelt etwas bei seinen melodischen Ideen. Alles klingt so ähnlich, wie die ein halbes Jahrhundert davor entstandenen Arbeiten von Lehár oder Kálmán in einem Walzertonfall, weniger wie der Broadway, für den das Stück eigentlich geschrieben wurde.

Das aus nur neun Musikerinnen und Musikern bestehende Wiener KammerOrchester unter Ingo Martin Stadtmüller realisiert die Musik immerhin präzise und klangvoll. Auf der Bühne fällt vor allem die Wienerin Jasmina Sakr im Barbarella-Look als Schauspielerin Silvia Lombardi mit großer Präsenz aber auch schönem Sopran auf. Ihr konkurrenziert der köstlich spielende Alexander Strobele mit laszivem Witz in mehreren Frauenrollen. Peter Bording der naive Liebhaber Andrea Coclé spielt besser als er singt. Paul Schweinester als Sam Borzalino und Jennifer Lary als Louise sind ein flottes Buffopaar mit roten Haaren. Auch Stefano Bernardin als Ministerpräsidenten und Reinwald Kranner als zerknitterter Polizeichef sind gut besetzt. Diana Bärhold, Lilia Höfling und Lucia Miorin tanzen und singen schwungvoll als Mannequins, Polizistinnen und sogar als Stehlampen.

Bei Dirk Schmedings temporeicher, ja ruheloserInszenierung weiß man nie so recht, was witzig sein will, was gewollt ist. Er setzt zudem etwas zu penetrant auf Klamauk. Aber er macht das Beste aus dem aus der Zeit gefallenen Stück. Dazu passend siedelt Pascal Seibicke das Geschehen in einem Beliebigkeitsort an und verpasst den Kostümen Flitterkram, aber auch luxuriöse Eleganz. Ein paar Reisekoffer rahmen die Bühne ein. Sie werden bisweilen als Spielräume verwendet ebenso wie der Orchestergraben. Alle Protagonisten agieren mit Spielwitz und vollem Körpereinsatz, inklusive einem perfekten Stepptanz.

Das Finale jedenfalls zündet - das Publikum ist begeistert.

Dr. Helmut Christian Mayer

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