Franz Hauk, Dirigent, Organist und Chorleiter, ist wahrlich ein Pionier in der Pflege des musikalischen Erbes von Johann Simon Mayr. Dieser in Deutschland geborene Komponist wirkte aber meist in Italien, weshalb er auch oft mit den italienischen Vornamen Giovanni Simone genannt wird. Er gilt als wichtiger Reformer der Operngeschichte. Bekannt wurde er hauptsächlich als Lehrer von Gaetano Donizetti. Immer wieder überrascht Franz Hauk mit Neuentdeckungen aus dessen Feder, die dann dankeswerterweise vom Label Naxos, das ja bekanntlich auf Aufnahmen von Raritäten abzielt, als CD veröffentlicht werden. Jüngste Ausgrabung ist die Opera semiseria „Le due duchesse ossia La caccia del lupi“ („Die beiden Herzoginnen oder die Wolfsjagd“), die jetzt als Weltersteinspielung unter Nr. 8.660422-23 herausgekommen ist. Das Libretto stammt von Felice Romani, dem berühmtesten Textdichter der damaligen Zeit, dessen Vorlagen auch von Rossini, Donizetti, Bellini, Verdi und anderen Komponisten vertont wurden.
Die recht abstruse, Sentiment mit Parodie verquickende Handlung führt ins England des 10. Jahrhundert in das Reich von König Edgar auf Schloss Athelwood. Dieser beauftragt Herzog Enrico, in seinem Auftrag um die Hand der Gräfin Malvina anzuhalten. Diese gefällt dem Herzog allerdings so sehr, dass er selbst heiratet und dem König weismacht, sie sei zu hässlich für ihn. Statt Malvina wird deren Kammerzofe Laura dem König angeboten, die allerdings mit dem Jägerhauptmann Berto verlobt ist. Seine Ehefrau hält Enrico zunächst geheim, was freilich nicht lange funktioniert und es zu tragikomischen Verwicklungen kommen muss.
Denn bei dem an der Mailänder Scala 1814 uraufgeführten Werk handelt es sich um eine semiseria-also eine Oper mit ernsten und heiteren Elementen. Die Musik klingt trotz mittelalterlicher Burgromantik im Grundton temporeich heiter und voll schwungvoller Italianitá. Die originellen Melodien und kunstvoll arrangierten Ensembles mit Ritterchören und Troubadour-Gesängen werden vom Concerto de Bassus, das sich aus Professoren und Absolventen der Hochschule für Musik und Theater München zusammensetzt, auf historischen Instrumenten musizierend, unter Hauk sprühend und schwungvoll musiziert. Die Musiker bringen den gesamten Reichtum der Partitur zum Klingen und werden dem hybriden Charakter des Werks zwischen buffoneskem Duktus und lyrisch-ernster Stimmung voll gerecht. Erstklassig hört man auch den vom Dirigenten 2003 selbst gegründeten Simon Mayr Chor, verstärkt von Mitgliedern des Bayrischen Staatsopernchores.
Angeführt wird das Ensemble von der südkoreanischen Sopranistin Eun-Hye Choi als Malvina mit feiner, klarer und flexibler Stimme. Besonders bei der mit Harfenklängen umspielten Arie „Sortita“ bezaubert sie. Markus Schäfer als Enrico mit seinem nicht mehr ganz jugendlich wirkenden aber leuchtenden Tenor gefällt mit wunderbaren Höhen. Mit noblem Timbre ebenfalls aus Südkorea erlebt man Young-Jun Ahn als König Edgar, der jedoch in den exponierten Höhen etwas angestrengt klingt. Jaegyeong Jo überzeugt als Malvinas Vater Loredano souverän. Tina Marie Herbert gefällt als Kammerzofe Laura mit Leichtfüßigkeit und saubersten Koloraturen ihrer Engelsstimme. Samuel Hasselhorn passt als Berto mit seinem geschmeidigen Spielbariton ideal zu ihr.
Dr. Helmut Christian Mayer
16. Juni 2020 | Drucken
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