Das Meer ist omnipräsent. Es kommt immer wieder im Text vor und wird wunderbar besungen. Deshalb ist es auch naheliegend, bei der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ am Opernhaus in Maribor/Marburg das Meer im Hintergrund der Bühne mit einer wunderbaren Abendstimmung fast ständig zu zeigen. Noch bevor die Musik anhebt, spielt, untermalt von dezenten Möwenrufen, zwischen den Stegen und senkbaren Holzbrücken ein kleines Mädchen. Es ist die kleine, später verloren geglaubte Maria. Ihr Vater, der Titelheld, tritt hinzu und zeigt ihr, wie man Papierschiffchen baut. Eine sehr berührende Szene! Das Schiffchen spielt auch bei der späteren, innig gestalteten Erkennungsszene eine wichtige Rolle. Und auch beim Tod des Dogen wird das kleine Mädchen nochmals mit einem Papierschiffchen auftauchen und ihren am Boden liegenden Vater zum Abschied auf die Stirne küssen. Leider hat die Inszenierung von Arnaud Bernard, er ist auch sein eigener Bühnenbildner, auch ihre Schattenseiten, denn die Stege und Brücken bewegen sich teil unmotiviert, scheinbar um so eine gewisse Vitalität zu erzeugen, die es sonst nur in eingeschränktem Maße gibt. Geradezu lächerlich gerät die Senatsszene, wo der Doge anstelle eines Thrones auf einer altertümlichen Schaukel, die auf einem langen Holzarm angebracht ist, Platz nehmen und amtshandeln muss. Von zweifelhaftem Geschmack sind die historisierten Kostüme, bei welchen es Gabriele Adorno, der auch einmal an einem langen Seil angebunden herumzappeln muss, mit einer entsetzlichen Pluderhose am ärgsten trifft. Wenig beigetragen hat der französische Regisseur auch, die ohnedies komplexe und schwer verständliche Geschichte des Genueser Dogen zu erhellen.
Nicht ganz ausgewogen ist diesmal auch das Ensemble. Eindeutig auf der Habenseite erlebt man die innig phrasierende mit wunderbar reinem Sopran singende Sabina Cvilak als Maria/Amelia und den ungemein schönen, lyrischen und höhensicheren Martin Susnik als Gabriele Adorno. Genadij Vascenko als Titelheld verfügt zwar über einen edel timbrierten Bariton, der in der Tiefe allerdings recht knorrig klingt. Slavko Sekulic singt den sehr hölzern agierenden Fiesco mit weichem Bass, hat aber vor allem im ersten Teil massive Intonationsprobleme. Diese hat leider auch, zwar sehr eingeschränkt, Jaki Jurgec als Intrigant Paolo, dessen weiches Timbre nicht zu dieser Rolle des Bösewichts passt.
Das Orchester der Marburger Oper unter Francesco Rosa weiß durchaus mitreißend dramatisch, aber auch einfühlsam viele klangliche Details und Farben der Partitur auszukosten, wiewohl einiges ein Mehr an Raffinement und Feinschliff vertragen hätte.
Viel Jubel im vollen Opernhaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
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