Linz: Eine berührende, umgekehrte Lebensreise bei der neuen Oper „Benjamin Button“ von Reinhard Febel

Xl_benjamin_button-linz-4-24-2 © Herwig Prammer

Ein lauter, gellender Schrei ertönt gleich zu Beginn, erst dann setzt das volle Orchester mit extremer Wucht ein. Es ist der Schrei der Mutter, die zu ihrem Entsetzen erkennen muss, dass sie kein Baby, sondern einen Greis geboren hat. Dieser ist Benjamin Button, bei dem das Leben umgekehrt ablaufen wird, denn er wird täglich jünger bis er schlussendlich zum Baby wird. Die Novelle „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ stammt von F. Scott Fitzgerald und wurde höchst erfolgreich mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt. Jetzt hat Reinhard Febel, ehemaliger Professor am Mozarteum in Salzburg, darüber eine Oper komponiert und auch das Libretto selbst verfasst, die jetzt am Linzer Landestheater erfolgreich uraufgeführt wurde.

Und so verlangt Button gleich einmal nach einem Gehstock, der Zeitung, und einem Glas Whisky und stellt die Umwelt vor nahezu unlösbare Probleme. Als jüngerer Mann verliebt er sich in Hildegarde und heiratet diese, was nach einer glücklichen Phase bald wegen des immer größer werdenden Altersunterschieds zu Problemen führt. Diese Liebesgeschichte wird in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Hinzugefügt hat Febel noch vier Kuscheltiere oder Götter, wie er sie nennt, die Button von Anfang an bis zum Ende begleiten.

Intendant Hermann Schneider zeigt eine emotional berührende, flüssige Inszenierung mit raschen Umbauten in konventionellen Kostümen (Meentje Nielsen) der jeweiligen Zeit - die Handlung umfasst beinahe 100 Jahre - und in Bühnenbildern (Dieter Richter), die vom US-Maler Edward Hopper inspiriert sind. Die Zeitsprünge werden von Inserts aber auch von zwei Zeitungsjungen lautstark verkündet und reichen vom amerikanischen Bürgerkrieg über beide Weltkriege bis zum Koreakrieg. Ein Hoch gilt auch den Maskenbildnern, die die Figuren wunderbar altersgemäß verändern.

Martin Achrainer stellt die Titelfigur vom humpelnden Greis über den dynamischen jungen Mann plastisch dar und singt ihn mit modulationsfähigem Bariton. Ganz besonders sei auch Gabriel Federspieler erwähnt, der zum Finale den ganz jungen Benji wunderbar singend und spielend mimt. Carina Tybjerg Madsen singt seine Ehefrau und spätere „Tante“ mit klarem, feinem, höhensicherem Sopran. Profund hört man Michael Wagner als Vater sowie makellos Gotho Griesmeier als seine Mutter. Matthäus Schmidlechner mimt den verzweifelten Arzt. Auch die vielen kleineren Rollen und der Chor und Kinderchor des Linzer Landestheaters gefallen uneingeschränkt.

Die großformatige, vielfarbige, gut anhörbare und stimmungsvolle Musik Febels, die sich aller möglichen Stile und Zitaten bedient mit Jazzelementen, Minimalmusik, aber auch wuchtigen oder feinen Klanggeweben, starken rhythmischen Elementen, und auch vor Spätromantik nicht zurückschreckt, wird vom großbesetzten Bruckner Orchester Linz unter der präzisen Zeichengebung von Ingmar Beck sehr differenziert und konzentriert wiedergegeben. Die jeweiligen Zeitsprünge werden durch die Zackengeräusche einer Riesenratsche angekündigt.

Viel Applaus auch für den anwesenden Komponisten.

Dr. Helmut Christian Mayer

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