„La Juive“(„Die Jüdin“) von Fromental Halévy war das erfolgreichste und spektakulärste Werk der Gattung „Grand Opéra“, das nach seiner Uraufführung 1835 in Paris ganz Europa mehrere Jahrzehnte in helles Entzücken versetzte. Heute wird die Oper, wie auch Halévys 38 (!) andere Opern, jedoch nur mehr selten aufgeführt, obwohl sie einen von Hass und Rache geprägten religiösen Fundamentalismus zum Inhalt hat und aktueller denn je ist. Erzählt wird vom Terror, der den Juden von der katholischen Kirche im 15. Jahrhundert in Deutschland angetan wurde, wodurch diese dann als Reaktion nur noch von Rache und Hass angetrieben wurden. So leidet man mit der Protagonistin Rachel, deren Lebensglück durch Hass und Vorurteile zerstört wird. Und man verfolgt gebannt das Schicksal von Rachels Vater, dem jüdischen Goldschmied Eléazar, der an einem lange gehüteten Geheimnis zerbricht, das mit der wahren Herkunft Rachels in Verbindung steht.
Grau und kerkerartig sind die dicken Mauern, die die Bühne am Linzer Landestheater, wo das Werk jetzt mit einigen Kürzungen aufgeführt wird, dominieren, mit einer Glas-Rosette einer gotischen Kathedrale wo auch der Käfig für den brennenden Scheiterhaufen zum Finale steht. Die Juden wohnen in einer kargen Kellerwohnung im Untergrund. In diesem Ambiente (Bühne: Dieter Richter) erzählt Marc Adam die Geschichte aus dem 15. Jahrhundert in Konstanz zeitlos, nahe am Heute und recht statisch bei den Massenszenen. Er konzentriert sich bei seiner klaren Personenführung auf die Protagonisten und deren innerer Gefühle. Nur am Ende des ersten Aktes kommt es zu einer recht plakativ wirkenden, heutigen Demo eines aufgehetzten Mobs mit Transparenten der Ausgrenzungen wie „Remigration jetzt“ oder „Unser Volk zuerst“, „Lügenpresse“. Zuletzt darf Éléazar überleben, ob dadurch dessen Rache- und Hassgefühle kleiner werden, darf bezweifelt werden.
Yannis Pouspourikas schafft bei seinem Debüt am Pult des Bruckner Orchesters Linz ein sensibles aber auch vibrierendes Klangbild der opulent-eleganten und emotional aufgeladenen Musik. Der französische Dirigent baut weite, farben- und emotionsreiche Spannungsbögen und reizt die Dynamik aus, ohne die Sänger zuzudecken. Und diese, und das ist bemerkenswert, sind fast ausschließlich aus dem hauseigenen Ensemble besetzt, und danken es ihm mit außergewöhnlichen Leistungen. Allen voran fasziniert Matjaž Stopinšek als jüdischer Goldschmied Éléazar mit kraftvoll elegantem, höhensicherem Tenor und intensiven Emotionen. Erica Eloff singt dessen Tochter Rachel mit vielen Fassetten und tiefen Gefühlen. Ilona Revolskaya als Prinzessin Eudoxie hört man mit kleinem, hellem und koloraturensicherem Sopran.Dominik Nekel gefällt als präsenter Kardinal de Brogni mit meist profundem Bass, nur einige wenige Töne sind ihm zu tief. Seungjick Kim als eitler Reichsfürst Léopold übertreibt manchmal mit tenoraler Kraftprotzerei, singt ihn aber mit phänomenaler Höhe.Auch die kleineren Rollen, insbesondere Alexander York als Ruggiero, Großvogt der Stadt Konstanz, der immer wieder zum Flachmann greift und trinkt, wie auch Michael Wagner als Albert, Unteroffizier der kaiserlichen Leibgarde, sind alle gut besetzt. Fast immer im Einklang mit dem Graben hört man sehr homogen und klangvoll den Chor und Extrachor des Linzer Landestheaters (Einstudierung:Elena Pierini und David Alexander Barnard).
Das Publikum zeigt sich sehr begeistert. Es spendet immer wieder heftigen Zwischenapplaus und am Schluss großen Jubel und stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
05. März 2024 | Drucken
Kommentare