Es gibt kein Zauberschloss, keine Kreuzritter oder Sarazenen, dafür eine Flughafenlounge mit Rolltreppen. Und dieses aufwändig gestaltete Bühnenbild auf der viel verwendeten Drehbühne wird mit geschäftsmäßig gelangweilten Businessleuten in dunklen, uniformen Anzügen bevölkert. (Ausstattung: Christian Schmidt). Jens-Daniel Herzog hat Georg Friedrich Händels 300 Jahr alte Oper „Rinaldo“ am Linzer Landestheater einen ordentlichen Modernisierungsschub verpasst und vom Mittelalter in die Gegenwart geholt. Es passiert zum ersten Mal, dass eine Barockoper im großen Haus des bald 10 Jahre alten Linzer Musiktheaters erklingt.
Der Erfolg war der Musik zu verdanken. Der mittelalterliche, nach Torquato Tassos „La Gerusalemme liberata“ sehr frei ausgestaltete Stoff, das Rittergepränge und die effektvollen Zauberszenen war ein für die damalige Zeit mutiger Stoff aus Zaubergeschichten und Kriegsdrama. Im Mittelpunkt der Handlung steht Rinaldo, ein christlicher Ritter, der bis nach Jerusalem vorgerückt ist. Almirena, seine Geliebte, gerät dort in Gefangenschaft der bösen und mächtigen Zauberin Armida, der Königin von Damaskus, und wird zum Spielball der feindlichen Lager. Aber am Ende gibt es nach vielen Irrungen und Wirrungen ein Happy End, das allerdings in einem Zickenkrieg endet.
Die Inszenierung des deutschen Regisseurs, eine Koproduktion mit den Opernhäusern von Zürich, Dortmund und Bonn, wo sie bereits zu sehen war, zeigt die alteGeschichte mit fein-ironischem Augenzwinkern und witzig geistreichen Ideen als einen heutigen, globalen Wirtschaftskrieg und Geschlechterkampf in einer Abflughalle, also in Transiträumen, die niemandes Heimat sind.Geschickt und fantasiereich mit Mitgliedern der Oberösterreichischen Tanzakademie (Choreografie: Ramses Sigl) aufgewertet, lässt Herzog sein Ensemble mit großer Spiellust und präzisen Bewegungsabläufen kurzweilig agieren.
Deren sängerischen Leistungen sind alle stilgerecht und von makelloser Intonation.Allen voran singt Fenja Lukas als Almirena nicht nur den Hit der Oper „Lascia ch’io pianga“ hinreißend, sondern glänzt auch sonst mit Koloraturen. Angela Simkin ist ein hochemotionaler Rinaldo und fasziniert mit furiosen Läufen. Céline Akçağ strahlt trotz ihres etwas kleinstimmigen Mezzos viel Würde als Goffredo aus. Ilona Revolskaya begeistert als wandlungsfähige, expressive Armida vom Vamp in Rot zur Spionin mit Kopftuch, von der biederen Kopie Almirenas mit weißem Handtäschchen bis zur eifersüchtig rasenden Zicke. Adam Kimi st ein ungemein stilsicherer Argante, der aufstrebende, oberösterreichische Countertenor Alois Mühlbacher gestaltet den Eustazio eindrucksvoll.
Ingmar Beck (selbst auch vom Cembalo aus) lässt beim klein besetzten Bruckner Orchester Linz verstärkt durch Theorbe und Cembalo einen feinfühligen und stilsicheren Händel erklingen, der anfänglich etwas mehr Akzente vertragen hätte und führt die Sängerinnen und Sänger tadellos durch die vielfach höchst anspruchsvollen Klippen.
Großer Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
15. November 2022 | Drucken
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