
Es kommt nicht so selten vor, dass sich Regisseure vor einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti scheuen: Nicht so Bruno Berger-Gorski am Teatro Verdi inTriest. Leergeräumt ist die dunkle Bühne mit einem schwarzen, glänzenden Boden. Außer einem Tisch und später einen Sarg gibt es keine Versatzstücke. Minimalismus herrscht vor. Im Hintergrund tauchen immer wieder Projektionen eines Waldes, eines schottischen Lochs (See) samt Schloss, eines gotischen Saals und einem beleuchtenden Kreuz und zum Finale eines Friedhofs auf (Bühnenbild: Carmen Castagnon). In diesen düsteren, aber durchaus geschmackvollen Bildern mit atmosphärischem Licht erzählt der deutsche Regisseur die Geschichte der unglücklichen Liebe und des Machtmissbrauchs auch der Kirche konventionell, klar und ohne Neudeutungen in stilisierten Kostümen von Claudio Marin. In manchen Momenten beschränkt er sich allerdings auch auf bloße Arrangements, insbesondere beim Chor und auf statisches Rampensingen. Meist führt er die Personen jedoch mit Subtilität und Dichte und legt ihre inneren Gefühle offen. Dies gelingt ihm ganz besonders bei der Titelheldin, deren Schmerz und Verzweiflung glaubhaft zutage tritt.
In ihrem weißen, blutgetränkten Brautkleid mit einem blutverschmierten Messer in der Hand schleppt sie sich herein, nachdem sie den ihr aufgezwungenen Ehemann ermordet hat, um dann mit glasklarer Stimme und perfekten Koloraturen, die mit extremen Schwierigkeiten mit fast unsingbaren Höhen gespickte „Wahnsinnsarie“ zu singen: Jessica Pratt ist eine phänomenale, heftig umjubelte Titelheldin.Sie singt die belcanteske Glanzrolle mit großer Leidenschaft und Schmerz. Scheinbar mühelos meistert sie alle Klippen des immens schweren Koloraturgesangs. Möglich ist, dass Lucia ein Kind von Edgardo erwartet oder im Wahn Visionen eines ungeborenen Kindes halluziniert, denn während ihrer berühmten Arie werden Projektionen eines Embryos eingespielt. Sie brilliert aber nicht nur in dieser Arie, wo sie in einen intensiven Dialog mit der Glasharmonika, einem Instrument, dem hier anstelle der Flöte der Vorzug gegeben wird, tritt. Jede Höhe und jede Nuance sitzen und sie weiß auch zarte, innige Piani auszuformen.
Da kann das übrige Ensemble nicht mithalten: Francesco Demuro beginnt als Edgardo verheißungsvoll mit feinen Lyrismen, reich an Emotionen und vorerst ungefährdeten Höhen. Bald wirkt sein Tenor in den höheren Lagen jedoch immer angestrengter und er gerät immer mehr an seine Grenzen. Der erst 25-jährige Maxim Lisiin verfügt über einem ausgesprochen schönen Bariton, wirkt aber insgesamt als Enrico, Brüder von Lucia, sehr blass und überhaupt nicht skrupellos. Carlo Lepore singt einen stimmgewaltigen, anfangs recht knorrigen Priester Raimondo. Bei den kleineren Partien singt der intrigantisch agierende Nicola Pamio als Normanno leider inferior. Miriam Artiaco singt als Alisa solide ebenso wie Enzo Peroni als Arturo. Den hervorragend von Paolo Longo einstudierte Chor des Teatro Verdi hört man sehr homogen und klangschön.
Der unerschöpfliche musikalische Reichtum wird vom Orchester des Teatro Verdi unter dem agilen Daniel Oren vor allem im lyrischen Bereich mit feinsinnigen Ausdrucksmöglichkeiten farbenreich und klangschön musiziert. Manche dramatischen Stellen wirken jedoch zu zahm.
Viele Bravi!
Dr. Helmut Christian Mayer
24. April 2025 | Drucken
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