„Scintille, diamant“: Und tatsächlich, der Diamant funkelte und glitzerte ganz wunderbar, als Ludovic Tézier diese populäre Arie aus Jacques Offenbachs einziger Oper „Les Contes d’Hoffmann“ zum Besten gab. Und gerade dabei spürte man, wie wohl sich der französische Starbariton im französischen Fach fühlte. Bei seinem Recital an der Mailänder Scala vor leerem Haus, das aber für den Sangesfreund gestreamt und vor den Bildschirmen erlebt werden konnte, sang er auch noch weitere Lieder in französischer Sprache, etwa von Gabriel Fauré „Les berceaux“ oder von Henri Duparc „L’invitation au voyage“, zwei Höhepunkte an Emotionen. Wie auch die „Quatre Chansons de Don Quichotte" von Jacques Ibert, wobei das letzte, Don Quichottes Tod, sehr nahe gehend und mit größter Überzeugung erklang.
Aber nicht nur hier, sondern den gesamten Abend erfreuten den Zuhörer Téziers wunderbare Phrasierungen, seine hohe Legatokunst, sein reiches Farbenspektrum und die vielen Schattierungen wie auch die hohe Noblesse seines edlen, warmen Baritons, der immer wieder mit jenem des legendären José van Dam verglichen wird. Zudem faszinierte er mit exemplarischer Textverständlichkeit, die auch im deutschen Fach zu bewundern war: Da durfte natürlich der Liederfürst Franz Schubert nicht fehlen. Das Eröffnungslied „An die Musik“ erklang ganz samtig, fast wie ein Gebet. Tézier scheint zu bestimmten Werken eine besondere Affinität zu haben: Jedes Wort, das mit einer unglaublichen Evokationskraft ausgestattet ist, bringt allein fast eine ganze Landschaft hervor. Dies war insbesondere bei Schuberts „Meeresstille“ der Fall, wo buchstäblich die langsamen Bewegungen des Meeres sowie die gesamte Energie, die hinter der scheinbaren Ruhe steckt, zu hören war. In „Hör ich das Liedchen klingen“, dem „Ständchen“ aus Robert Schumanns „Dichterliebe“ konkurrierten ideal Traurigkeit mit Schmerz. Jedes Wort mit korrekter Aussprache erlebte man wie auch eine ganz besondere Stilsicherheit bei Richard Wagners „O du mein holder Abendstern“ aus der Oper „Tannhäuser“ sowie bei der „Zueignung“ von Richard Strauss, in der Ludovic Tézier die Liebe auf besonders berührende Weise verkörperte. Russisches vernahm man bei der Arie des Jeletzky „Ja vas lyublyu“aus Peter Iljitsch Tschaikowskis „Pique dame“ als zarte, leidenschaftliche und unruhige Liebeserklärung, auch hier in sorgfältiger Diktion. Aber auch im italienischen Fach bewies Tézier seine Vielseitigkeit: „Nemico della Patria“, die Arie de Gérard aus Umberto Giordanos „Andrea Chenier“, in die er eine große Tiefgründigkeit legte sowie bei Giuseppe Verdis "Rigoletto": "Cortigiani, vil zazza dannata".
Thuy-Anh Vuong, eingesprungen für Helmut Deutsch, musste teils am Klavier ein ganzes Orchester ersetzen. Sie tat dies sehr gekonnt, zu Beginn nur manchmal mit etwas zu hartem Anschlag.
Dr. Helmut Christian Mayer
12. März 2021 | Drucken
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