„Denken Sie sich, dass das Universum zu tönen und zu klingen beginnt”, schrieb Gustav Mahler im Sommer 1906 an Willem Mengelberg. „Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen.” So charakterisiert der Komponist selbst seine 8. Symphonie.
Als „Symphonie der Tausend“ wurde das Werk von einem Veranstalter der Uraufführung 1910 in München etwas reißerisch bezeichnet. Aber die Besetzungsanforderungen der 1906/07 in Wien und Maiernigg am Wörthersee entstandene Vokalsymphonie von zwei gemischten Chören, einem Knabenchor, allein acht Solisten und einem Riesenorchester neben einem gesondert positionierten Blech und Orgel sind enorm und findet sich kaum sonst wo ihresgleichen. Aus diesen Gründen wird das „Ausnahmewerk“ sehr selten aufgeführt. Deshalb war es sehr ambitioniert, das vom Komponisten immer als sein „Opus summum“ betrachtetes Hauptwerk jetzt im ausverkauften Wiener Konzerthaus, wo man sogar die Bühne vergrößern musste, zu präsentieren.
„Veni, creator spiritus“: Mit diesem mittelalterlichen Pfingsthymnus, der Anrufung des Heiligen Geistes und einem einprägsamen, hymnischen Thema hebt der kürzere, erste Teil an. Hier waren besonders bei den homogen singenden Chören, dem Wiener Singverein (Einstudierung:Johannes Prinz), der Wiener Singakademie (Heinz Ferlesch) wie auch bei den Wiener Sängerknaben (Einstudierung: Manuel Huber und Oliver Stech) gewaltige Klangmassen fast im Dauerforte zu hören, was durch Philippe Jordan am Pult der formidabel aufspielenden Wiener Symphoniker doch einer größeren Differenzierung bedurft hätte.
Wunderbar hingegen war der zweite Teil, der die Schlussszenen von Goethes „Faust“ verwendet, zu erleben. Er erklang reich an Nuancen, ja teils fast kammermusikalisch, wobei sich Chöre und der Orchesterapparat hochkonzentriert mehr als Mittel farblicher Vielfalt denn als Erzeuger von Monumentalwirkungen erwiesen. Insgesamt verwendet Mahler eine ungekannte Vielfalt an Formen und musikalischen Charakteren – er habe die Musik des Abendlandes zu einer großangelegten Synthese führen wollen – mit barocken Fugentechniken ebenso in seinem Werk wie den weihevollen Tonfall von Choral und Hymne. Hier gelang allen Beteiligten eine reiche musikalische Erzählung, die große Phantasieräume eröffnete.
Dazu gab es ein exquisites Solistenoktett mit den strahlenden Sopranen Elisabeth Teige (Magna Peccatrix), pJohanni van Oostrum (Una poenitentium), Regula Mühlemann (Mater gloriosa), die beiden biblischen Büsserinnen mit sonoren Altstimmen Tanja Ariane Baumgartner (Mulier Samaritana) und Noa Beinart (Maria Aegyptiaca), Benjamin Bruns, der als Doctor Marianus mit herrlichem Tenor in großer Emphase die Himmelskönigin anrief, um gleich vor Entzücken ins wundersame Piano zu fallen, Christopher Maltman als Pater ecstaticus, der leidenschaftlich und sinnlich den „ewigen Wonnebrand” besang und Tareq Nazmi mit machtvollem Bass (Pater profundus). Um sich schließlich alle gemeinsam zur wohl gewaltigsten Schlussapotheose aller Mahler-Symphonien zu steigern: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan!“ und das Publikum zu überwältigen. Stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
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11. November 2024 | Drucken
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