Maria Saal: Pergolesi "Livietta e Tracollo" als Commedia dell' arte

Xl_livietta_e_tracollo-maria_saal-8-19-1 © Stefan Schweiger

Unter Getrommel, Trompetengeschmetter und lautstarker Begleitung einer kostümierter Theatertruppe rumpelte doch tatsächlich ein klitzekleiner Minitransporter, ein originaler, italienischer Piaggio Ape den Hügel hinunter und parkte unter einem prächtigen, großen Baum im Garten des alt ehrwürdigen Tonhofes, der Mitte  des letzten Jahrhunderts ein Künstlertreffpunkt von Komponisten, Schriftstellern und Malern gewesen war, in Maria Saal, wo schon das Publikum Platz genommen hatte.

Sofort wurde mit dem Aufbau der „Bühne“ begonnen. In erster Linie fungierte die Ladefläche des Minitransporters dafür. Lichtketten wurden aufgehängt, Tücher aufgespannt, Kisten ausgeladen und immer wieder wurde das Publikum einbezogen, wobei sich Adrian Schvarzstein, der auch aus ideen- und gagreicher Regisseur fungierte,als moderierender und interaktiver Schauspieler am meisten hervortat. Er geleitete Leute zu freien Plätzen, bot Würfelwettspiele an und missbrauchte während der späteren Aufführung zwei Zuschauer, Bäume zu spielen und den Bösewicht zu verprügeln, während die sieben-köpfige Banda bereits heftig musizierte. Zum Gaudium des Publikums wurde bestes Straßentheater nach Commedia dell‘ arte Manier geboten!

Eigentlich war es ein Glücksfall, dass das aus Graz stammende Produktionsteam Maria Saal als Ort der Vorpremiere für die Rarität „Livietta e Tracollo“ von Giovanni Pergolesi, der man hier den Titel „Il Ciarlatano“ gab, auserkoren hat, bevor das gesamte Team damit im holländischen Utrecht, beim größten Barockfestivals Europas auftreten wird.

Und dann ging es los, während zuerst noch die Ouvertüre und die erste Arie aus „Adriano in Siria“ erklang, jener Opera seria, die bei der Uraufführung 1734 in Neapel den Rahmen bot und durchfiel, musizierte man dann nur mehr das mitaufgeführte komische Intermezzo, das musikalisch überlebte. Es ist eigentlich ein Zwei-Personenstück über keine Helden, sondern über ganz einfache Leute: Es handelt vom Gauner Tracollo, der die Leute betrügt und bestiehlt und Livietta, die ihn immer wieder entlarvt und nach einer Episode im Gefängnis mit einer fast erfolgten Hinrichtung, heiratet. Es reihte sich zum Gaudium des zahlreich erschienenen Publikums Gag an Gag! Und es wurde von allen Mitwirkenden mit großer Spielfreude mitgetragen.

Ulla von Landsberg war Livietta mit leichtfüßigem, flexiblem Sopran. Dietrich Henschel war der kraftvolle und nuancenreiche Kleingauner Tracollo mit schönem Bassbariton. Thomas Höft, bekannt als Styriarte-Regisseur und Dramaturg, spielte Fulvia, Liviettas Freundin und fungierte auch als Verkäufer von gefakten Uhren, die er in den Innenseiten des Sakkos versteckt hatte, in der Pause, in der auch alle anderen Beteiligten den Zuschauern alles Mögliche von Grappa bis Melonen zum Kauf anboten. Und zur Abwechslung hatte man auch einen echten Akrobaten namens Didac Cano, mitgebracht, der in einer sensationellen Nummer gleich mit drei Diabolos jonglierte.

Untermalt wurde das ganze Spektakel von der nicht immer ganz intonationsrein aber stets schwungvoll und vital musizierenden Neuen Hofkapelle Graz, die mit Alter Musik schon bei Styriarte mehrfach (heuer mit „Venus and Andonis“ von John Blow) reüssiert hatte. Die musikalische Leitung hatten Lucia Froihofer (Violine) und Michael Hell (Cembalo und Blockflöte) inne. Neben Pergolesis Musik wurde der Abend auch mit „La Follia“ von Corelli sowie alten Tarantellas aufgefettet.

Dr. Helmut Christian Mayer

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