Sie gilt als ein Meisterwerk europäischer Musikgeschichte und als die älteste erhaltene Oper überhaupt: „L’Orfeo“ von Claudio Monteverdi aus 1607, in Mantua uraufgeführt. Jacopo Peris „Dafne“ ist zwar noch älter, nämlich aus dem Jahr 1597, ist aber nur mehr fragmentarisch erhalten.
Jetzt konnte man diese „Favola in musica in fünf Akten“ im stimmungsvollen Ambiente des alten Innenhofes des Rathauses von St. Veit/Glan, im südlichsten Bundesland von Österreich, in Kärnten erleben. Denn hier findet im klingenden Dreieck von mehreren Städten alljährlich im Herbst immer die Trigonale, das Festival der Alten Musik statt. Heuer wurde in der 16-jährigen Geschichte dieser kleinen aber feinen Festspiele, erst das zweite Mal eine Oper szenisch zur Aufführung gebracht.
Er ist ein abgehalfterter Rockstar, der nur mehr mit Drogen und Alkohol auftreten kann. Seine Freundin stirbt nicht am Schlangenbiss, sondern an einer Überdosis Tabletten: So heutig sieht Ann Allen Orpheus und Eurydike. Dieses moderne Setting wirkt anfänglich von der Konzeption her doch etwas bemüht und befremdlich, aber bald besinnt sich die englische Regisseurin immer mehr auf die Kraft der Musik und auf den eigentlichen Plot und erzählt „L’Orfeo“ klar, minimalistisch und unspektakulär. Zentrales Element ist dabei eine große Stiege, die bis zu den Arkaden des ersten Stockes führt und zahlreiche Auftrittsmöglichkeiten ermöglicht. In erster Linie soll sie der Abgang in die Unterwelt sein. Das Bühnenbild und die stimmungsvollen Lichtstimmungen stammen vom ungemein rührigen Trigonale-Chef Stefan Schweiger persönlich. Und bald lenkt die Inszenierung nicht mehr von der großartigen Musik von Claudio Monteverdi ab.
Und diese ist bei Elam Rotem, der vom Cembalo, Orgel oder Regal aus seine rund 20 musikalischen Mitstreiter leitet und zudem noch beim Chor mitsingt, in besten Händen: Denn frisch, stilsicher und nuancenreich wird die Partitur von den engagierten Musikern, die alle in grünen T-Shirts mit der Aufschrift „Orpheus and the Lyres“ stecken, wiedergegeben. Und hierbei passiert das Wichtigste: Es gelingt ihnen, das Publikum damit sehr zu berühren.
Erste Sahne sind auch die jungen Sänger, viele stammen vom exzellenten Vokalensembles „Profeti della Quinta“, das Rotem auch leitet und das schon mehrfach bei diesem Festival zu hören war. Sie singen alle ohne Ausnahme mit ungemeiner Tonreinheit und verkörpern meist auch gleich mehrere Rollen: Allen voran sind Jacob Lawrence ein intensiver und stilsicherer Orpheus, Einat Aronstein eine glasklare Euridice und Musica. Roberta Diamond verkörpert eine sich beim Gott der Unterwelt sehr einschmeichelnde Prosperina aber auch eine Nymphe. Lisandro Abadie ist ein sehr präsenter Pluto und Caronte und singt beide Partien mit prächtigem Bass. Bei Doron Schleifer hört man als Botin und als Hoffnung einen grandiosen Countertenor. Auch die drei Hirten (Roman Melish, Loic Paulin, singt auch das Echo sowie Giacomo Schiavo ist auch als Apollo zu hören) und alle Protagonisten zusammen als Chor gefallen ungemein.
Das Publikum im ausverkauften Innenhof zeigt sich restlos begeistert und spendet stehende Ovationen!
Dr. Helmut Christian Mayer
27. Oktober 2019 | Drucken
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