Mozarts „La clemenza di Tito“ bei den Salzburger Pfingstfestspielen: Das Scheitern des „Gutmenschen“

Xl_titus-c_matthias-horn-salzburg-5-24-2 © Matthias Horn

Macht, Unterdrückung, Intrigen und Gewalt: Dass die Stückauswahl gerade jetzt so topaktuell sein würde, damit hatte wohl niemand gerechnet. Da gab es ein lebensgefährliches Schussattentat auf den slowakischen Premierminister und auch sonst vermehrt Attacken auf Politiker. Genau um dieses Thema geht es auch in Wolfgang Amadeus Mozarts „La clemenza di Tito“. Jetzt wurde diese, seine letzte Oper als szenische Neuproduktion der Salzburger Pfingstfestspiele im Haus für Mozart zweimal gezeigt und wird beim sommerlichen Festival auch wiederaufgenommen. Die Frage, die sich hier stellt, wie geht man mit den Tätern um, hinrichten oder Milde walten lassen? Jene letztere Variante wählt der römische Kaiser Titus Vespasianus, was ihm nicht gut bekommt, denn er wird dann entgegen dem Libretto von den Schergen der Vitellia brutal ermordet. So sieht dies zumindest Robert Carsen, er wird im Sommer auch den „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal inszenieren, in seiner Version vor. Milde hat heute offenbar keinen Platz, zum Schluss siegt der Mob, wobei beim Attentat Videos von der Erstürmung des US-Kapitols im Hintergrund gezeigt werden. Eine starke Ansage!

Und so lässt der kanadische Regisseur die Oper, die 1791 zur Krönung von Leopold II. zum König von Böhmen komponiert wurde, im Heute spielen. Dazu passend aber doch sehr nüchtern, ja extrem kalt wirken die grauen Konferenzsäle wie auch das Büro des Regierungschefs mit Mikros und Laptops ausgestattet und mit einer Zuschauertribüne im Hintergrund (Ausstattung: Gideon Davy). Extrem skrupellos wird Vitellia gezeigt, die mit allen Mitteln zur Macht kommen will, ihre Reize einsetzt, Personenschützer besticht und das Attentat in Auftrag gibt. Optisch erinnert sie an Giorgia Meloni, was kein Zufall sein dürfte. Insgesamt ist Carsens Personenführung ist professionell und glaubhaft.

Von hoher Qualität ist das Sängerensemble: Allen voran singt Daniel Behle einen intensiven, ausdruckstarken Titelhelden mit weicher und schöner Stimmfärbung. Alexandra Marcellier ist eine rachsüchtige, lüsterne Vitellia mit ihrem in der Tiefe etwas schwächer klingenden Sopran, mit großer Differenzierungskunst, reichen Emotionen und perfekten Koloraturen. Als ihr Werkzeug: Sesto, Freund des Kaisers und zwiespältiger "Verräter", den die Intendantin Cecilia Bartoli, wieder einmal das Zentrum der Produktion, erstmalig in Ihrer Karriere szenisch mit ausdrucksstarkem Mezzosopran und Schattierungsreichtum singt. Die Zerrissenheit dieser Figur wird in jeder Phase intensiv spürbar. Mélissa Petit gibt eine wunderbare Servilia mit sicheren Höhen. Anna Tetruashvili ist ein bubenhafter und ausgesprochen schönstimmiger Annio, Ildebrando D'Arcangelo ein markanter, sehr präsenter Publio. Il Canto di Orfeo (Einstudierung: Jacopo Facchini), fällt mit seinem Wohlklang und seiner großen Homogenität auf.

Ungemein differenziert auf historischen Instrumenten spielt das Bartoli mitgegründete Ensemble Les Musiciens du Prince-Monaco unter Gianluca Capuano: Zugespitzt, aufgeraut, hochdramatisch aber auch weich und fein und immer ausbalanciert.

Großer Jubel und ein paar Buhs für die Regie!

Dr. Helmut Christian Mayer

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