"My Fair Lady" - Seefestspiele Mörbisch: Vom Punk zur feinen Lady in neuem vulgärem Text

Xl_my_fair_lady-m_rbisch-c_kurt_pinter-7-24-2 © Kurt Pinter

„He Oida, du bist a Fetznschädl“: Wir sind im Jahr 2018 und befinden uns in der Underground Station Tottenham Court in London, wo Eliza Doolittle ihre Blumen verkauft. Sie ist ein Punk mit blaugefärbten Haaren und zerrissenen Jeans. Und sie spricht im tiefsten Wiener Dialekt eine ziemliche Vulgärsprache mit tiefen Kraftausdrücken (Textbearbeitung auch der Liedtexte für die Seebühne: Johannes Glück), die für Nichtwiener teils schwer verständlich sind. In die heutige Zeit hat Simon Eichenberger das eigentlich 1912 spielende, klassische Musical „My Fair Lady“ (Uraufführung 1956) verlegt. Offenbar hat der Regisseur und Choreograph zu wenig Vertrauen in die ungemein geistreichen und witzigen Dialoge von Alan Jay Lerner und auf die auf George Bernard Shaw’s „Pygmalion“ basierende, genial und witzig gebaute Geschichte vom armen Blumenmädchen, das schlussendlich eine feine Lady wird, und deshalb vieles verändert. Doch gerade diese Dialoge und natürlich die unsterblichen Ohrwürmer wie „Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“ oder „Ich hätt’ getanzt heut Nacht“ aus der Feder von Frederick Loewe haben das Stück weltweit zu einem der beliebtesten Musicalklassiker gemacht. Diese neuen Dialoge und auch die Veränderung der Gesangstexte wie auch das Hinzufügen anderer Musikstücke wie etwa von einem Samba und von Hip-Hop Klängen irritieren die stimmige Atmosphäre, insbesondere den Charme des Stückes. Und der Modernisierungsschub funktioniert nicht und bringt nichts. Die Inszenierung selbst wirkt flott, detailreich mit guter Choreographie bei etlichen Tanzszenen.Die heutigen Kostüme stammen von Claudio Pohle. Die eindrucksvollen und imposanten Bühnenbilder (Walter Vogelweider) von London, wobei auch der Big Ben im Hintergrund nicht fehlen darf, erlauben schnelle Verwandlungen von der U-Bahn Station zu Higgins Haus, einem modernen, schicken Loft, zum Rennplatz in Ascot und dem Pub, wo Alfred P. Doolittle seine Schnapsorgien feiert.

Herbert Steinböck in der Partie dieses stets betrunkenen „größten Moralisten von England“ ist ein köstlicher Urkomödiant. Als seine Tochter Eliza steht natürlich die erst 21-jährige Niederösterreicherin Anna Rosa Döller als Titelheldin ihm Mittelpunkt. Schon „Mörbisch-erfahren“, sie spielte und sang letztjährig hier die Sophie im ABBA-Musical „Mamma mia“, vermag sie wunderbar spielend und singend das Blumenmädchen aus „East-Simmering“ mit teils etwas kleiner Stimme ordinär frech wie auch ihren späteren Wandel zur Lady mit damenhafter Eleganz zu verströmen. Mark Seibert kann als ihr wortdeutlicher Sprachlehrer Professor Henry Higgins seine dominierende Präsenz noch steigern und den selbstgefälligen, zynischen Macho und eingefleischten Junggesellen auch in seinem gekonnten Sprechgesang ideal hervorkehren. Ramin Dustdar gibt einen liebenswerten Oberst Pickering. Dominik Hees ist der schwärmerisch singende und spielende Freddy, Marika Lichter die noble Higgins-Mutter, Shlomit Butbul die hoheitsvolle Mrs. Pearce. Eine Rolle wurde eigens für Dolores Schmidinger als Queen Elizabeth kreiert, die humorvoll in Ascot auftritt und in Higgins Haus ständig vom TV-Schirm herunterschaut. Untadelig: die kleineren Rollen und das gut tanzende und singende Ensemble.

Schmissige und mitreißende Töne hört man vom Orchester der Mörbischer Seefestspiele unter Michael Schnack. Es lässt auch nichts an Eleganz und schwebender Leichtigkeit fehlen. Manchmal werden jedoch die Stimmen, besonders von der Titelfigur übertönt.

Viel Applaus! Wegen der starken Kartennachfrage gibt es bereits zwei Zusatzvorstellungen. Für 2025 ist das Musical „Saturday Night Fever“ angekündigt.

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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