Normalerweise hätte es nach einigen Arien und vor allem am Schluss speziell wegen der Leistung der Titelheldin tosenden Jubel geben müssen. Aber Applaus gab es keinen, er war wieder einmal untersagt worden. Auch wäre die Wiener Staatsoper unter normalen Bedingungen übervoll gewesen. Allein, es war wieder einmal alles anders: Denn auf Grund der Pandemie und der Vorgaben der Politik war das gut 2.000 fassende Opernhaus quasi leer. Nur knapp zwei Dutzend Personen saßen drin, ein paar wenige auserwählte Journalisten, ansonsten nur hauseigene Leute.
Und dass obwohl Anna Netrebko ihr Wiener Debüt als Giacomo Puccinis „Tosca“ gab. Die Rolle hatte sie davor schon in New York und in Mailand gesungen, in der neuen Direktion tut sie es erfreulicherweise auch in Wien. Hoffentlich kommt bald einmal auch ein Livepublikum in diesen Genuss. Die russische Starsopranistin hat sich wieder eine neue Partie zugelegt, und gibt sie wieder mit absoluter Perfektion, sowohl darstellerisch wie auch stimmlich. Sie spielt die Rolle mit allen Fassetten ungemein erregt, herrisch als eifersüchtige Diva aber auch als bittende und verzweifelte Frau wie auch als durchaus brutale Mörderin. Sängerisch singt sie mit ihrem dunklen Timbre makellos und berührend. Vor allem „Vissi d’arte“ im zweiten Akt, in der sie ihr Leben besingt, wird zu einem der wahrhaftigsten Momente dieser Aufführung.
Da kann Yusif Eyvazov seiner „Göttergattin“ bei weitem nicht das Wasser reichen. Man würde Netrebko auch gerne wieder einmal mit einem anderen Tenor erleben. Darstellerisch ist er ungemein hölzern, kaum spielend und zu sehr auf den Dirigenten fixiert. Sängerisch zeichnet er die Figur des Cavaradossi ziemlich eindimensional, in monochromen Tönen seines gewöhnungsbedürftigen, in der Mittellage nicht unbedingt schönen Timbres. Auf der Habenseite sind seine ungefährdete Höhensicherheit und sein langer Atem.
Wolfgang Koch ist ein meist böser Scarpia. Sein skrupelloser, römischer Polizeichef klingt vielleicht manchmal zu schön aber dann doch wieder brutal. Es gelingt ihm, selbst im „Te Deum“ trotz des vollen Orchesters und des sehr homogen singenden Chores der Wiener Staatsoper nicht unterzugehen. Die kleineren Partien sind eigentlich gut besetzt: So gefallen Evgeny Solodovnikov als nachdrücklicher und leidender Cesare Angelotti und Andrea Giovannini als Spoletta, Wolfgang Bankl ist zwar kein komischer aber stimmlich ein idealer Mesner.
Exzellent leitet Bertrand De Billy das Orchester der Wiener Staatsoper. Wenn es drauf ankommt, weiß er mit nötigem Zupack spannende Ausbrüche aber auch klangschöne und zart gefühlvolle Momente zu erzeugen.
Über sage und schreibe 619 Aufführungen hat diese beinahe „antike“ Tosca von Margarethe Wallman schon auf ihrem Buckel. Die Premiere dieser Inszenierung fand am 2. April 1958 statt, mit keinem Geringeren als Herbert von Karajan am Pult und der legendären Sopranistin Renata Tebaldi als Titelhelden sowie Giuseppe Zampieri als Cavaradossi wie auch Tito Gobbi als Scarpia. Sie hat zwar insgesamt schon etwas Staub angesetzt. Aber sie funktioniert immer noch, ist eigentlich einfach, völlig konventionell und traditionell konzipiert und ist aus diesen Gründen, sehr repertoiretauglich und nicht umzubringen. Dafür sorgen auch die traditionellen, luxuriösen Bühnenbilder, wie die Kirche Sant’ Andrea della Valle des ersten Aktes, die Räumlichkeiten des Barone Scarpia und die Plattform der Engelsburg und immer noch von beeindruckender Wirkung. Sie mussten extra hell ausgeleuchtet werden, damit die neun Kameras des ORF die düsteren Bilder überhaupt einfangen konnten.
Schließlich: Ein Ende ohne Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
14. Dezember 2020 | Drucken
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