„E lucevan le stelle“: Und die Sterne blitzten tatsächlich, zumindest in der Vorstellung der Zuhörer, als Piotr Beczala die gleichnamige Arie aus dem dritten Akt von Giacomo Puccinis „Tosca“ anstimmte. Damit nimmt Mario Cavaradossi auf der Plattform der Engelsburg ,auf seine Hinrichtung wartend, unter Tränen hinreißend Abschied von der Welt und seiner Geliebten: Strahlend, mühelos, kraftvoll und mit allen Spitzentönen sang der Weltklasse-Tenor den Maler.
Der aus Polen stammende Ausnahmesänger war aber auch sonst während des gesamten Konzerts im leeren Teatr Wielki Opera Narodowa in Warschau in Topform: Alles klang natürlich und authentisch. Sein Stimmumfang ist eindrucksvoll, seine warme Tiefe betörend, seine strahlende Höhe makellos. Wunderbare Lyrismen, herrliche Legatokultur und weicher Schmelz sowie eine intensive, ausdruckstarke Interpretation jeder einzelnen Rolle waren seine weiteren Stärken. Etliche Opern-Ohrwürmer waren zu erleben, die Beczala bei diesem Konzert in seiner Heimat zum Besten gab und das jetzt gestreamt wurde: Da durfte natürlich der Hit „Nessun dorma“, die Arie des Kalaf aus Giacomo Puccinis „Turandot“, wo er ganz spezielle Akzente setzte, ebenso wenig fehlen wie „Come un bel dì di maggio“ aus Umberto Giordanos Oper „Andrea Chenier“. Mit leidenschaftlicher Verzweiflung erklang auch die Schluss-Arie des Turridu vor dem für ihn tödlich endenden Duell mit Alfio „Mamma, quel vino è generoso“ aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“. Die Arie des Chevalier Des Grieux „Donna non vidi mai“ aus Giacomo Puccinis Oper „Manon Lescaut“ war ebenso tief emotional zu erleben wie die innige „Blumenarie“ des Don Josè aus Georges Bizets „Carmen“.
Aber auch einige absolute Raritäten, speziell von Komponisten aus seiner polnischen Heimat waren angesagt: Der Arie des Jontka etwa aus Stanislaw Moniuszkos Oper „Halka“, die er zuletzt im Dezember 2019 am Theater an der Wien grandios gesungen hatte, gewann er reiche Schattierungen ab. Nicht weniger berührend war die Arie Stefanas aus „Straszny dwor“ ebenfalls von Stanislaw Moniuszko, von einem Komponist der als Vater der polnischen Nationaloper gilt. Von Feliks Nowowiejski war eine Arie aus der „Legenda Baltyku“ zu hören, wo Piotr Beczalas Stimme mit reichem Ausdruck faszinierte. Zum Abschluss begeisterte er noch mit feinen Tönen bei einer Arie von Mieczyslaw Karlowicz.
Hingebungs- und rücksichtsvoll begleitet wurde er dabei vom Orchester der Oper Warschau unter der Leitung von Lukasz Borowicz. Von einem Klangkörper, der auch bei mehreren Instrumentalstücken überwiegend polnischer Provenienz glänzte: Gleich zu Beginn konnten die Musiker ihre Qualitäten bei der Ouvertüre zur Oper „Monbar“ von Ignacy Feliks Dobrzynski ausspielen wie auch schwungvoll mit einer tänzerischen Polonaise von Moniuszko. Mit kaum mehr spielbarem Tempo spulte das Orchester die Ouvertüre zu Michail Glinkas Oper „Ruslan und Ludmila“ bis zum triumphalen Schluss herunter. Sehr feinsinnig und ausbalanciert interpretierte das Orchester aber auch das berühmte Intermezzo aus Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“.
Dr. Helmut Christian Mayer
09. April 2021 | Drucken
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