Die hohen Streicher produzieren beinahe unerträglich schneidende Töne, als Romeo die Meldung vom vermeintlichen Tod seiner geliebten Julia überbracht wird. Er rast völlig konfus hin und her, bis hin zum gläsernen Sarg, den er mit seinen Armen liebevoll umschlingt. Das Liebesthema erklingt nochmals leidenschaftlich im Orchester. Nachdem er das Gift genommen hat, erwacht Julia, hält den Sterbenden fest, um dann ebenfalls Selbstmord zu begehen. Liebevoll umarmend gleitet sie quer auf ihren toten Geliebten: So emotional packend lässt Renato Zanella „Romeo und Julia“, das abendfüllende Ballett von Sergej Prokofjew am Opernhaus von Ljubljana/Laibach enden. In einer von ihm kreierten Fassung stellt er neben dem Liebespaar die Frauen in den Mittelpunkt: So werden die Rolle von Julias Mutter, die mit Tybalt ein Verhältnis hat, ebenso wie Rosalinda, in die Romeo zu Beginn unglücklich verliebt war, stark aufgewertet. Der ehemalige, längjährige Ballettchef der Wiener Staatsoper, der auch kurzfristig Intendant der ehemaligen Seebühne in Kärnten, in Klagenfurt am Wörthersee war, zeigt in einer phantasievollen Choreographie eine Mischung von überwiegend klassischem Ballett gepaart mit Ausdruckstanz aber auch Modern-Dance.
Dabei wird vom exzellenten Corps de Ballet, das meist homogen zu erleben ist, mit Geschmeidigkeit, Disziplin und technischer Brillanz getanzt. Da wechseln diffizile Hebefiguren und extreme Sprünge mit unglaublich behutsamen Bewegungen und Pantomine, sodass die zeitlose Liebesgeschichte aus Verona nach anfänglichen, kleinen Unklarheiten klar erzählt wird. Bezeichnenderweise ist auch Renato Zanella selbst dort geboren und hat schon als Kind, wie viele andere tausend Touristen alljährlich Julias Balkon bewundert, wie er selbst im Programmheft mitteilt. Packender gelingt ihm jedoch der zweite Teil mit den großartig durchchoreographierten Fechtszenen und dem Tod von Mercutio und Tybalt. Dabei wird durch feine Lichtstimmungen, durchsichtige Vorhänge und nur wenigen Versatzstücken, wie ein Bett, ein Tisch und eine Treppe, die gewendet als Balkon fungiert (Bühne: Alessandro Camera), zusätzlich viel Stimmung erzeugt.
Von den Protagonisten, die meisten aus dem eigenen Ensemble, gefallen besonders Yaman Kelemet als anmutige Julia, Filip Juric als geschmeidiger Romeo. Chie Kato als extrem quirlige Rosalinda, Kenta Yamamoto als brutaler Tybalt sowie Lukas Zuschlag als eleganter Paris.
Nach einem etwas behäbigen Beginn mit teils recht breiten Tempi zündet Kevin Rhodes am Pult des Orchesters der Laibacher Oper, das wieder einmal auf der Hinterbühne platziert ist, hauptsächlich im zweiten Teil die geniale Musik von Prokofjew und lässt den Abend farbenreich und packend werden.
Großer Jubel im Publikum!
Dr. Helmut Christian Mayer
22. Februar 2022 | Drucken
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