Puccinis "Butterfly" im Stream der Wiener Staatsoper: Emotionalität in alten Bildern

Xl_butterfly-wien-4-20-3 © Wiener Staatsoper

Keine Geringeren als Sena Jurinac und Giuseppe Zampieri sangen in dieser Inszenierung die Premiere. Und das war, man glaubt es kaum, am 19. September 1957: Diese „Madama Butterfly von Giacomo Puccini ist somit demnächst stolze 63 (!!!) Jahre alt und ist die älteste Inszenierung – noch vor der „Tosca“, die kam erst etwa ein halbes Jahr später - die hier an der Wiener Staatsoper gezeigt wird. Sie wird jedoch dieses Jubiläum gerade nicht erleben, den der neue Staatsoperndirektor Bogdan Roscic plant genau zur Eröffnung der Saison 20/21 Anfang September eine neuere Produktion von Anthony Minghella inszeniert. Sie ist zwar nur eine Übernahme von einem anderen Opernhaus aber doch jüngeren Datums.

Jetzt also erlebte man diese „uralte“ Inszenierung von Josef Gielen im Staatsopern-Stream und zwar in einer Aufführung vom 14. September 2016. Sie war urkonservativ und traditionell in schönen historischen Kostümen und auch noch schönen, vielleicht doch leicht an Naivität und Kitsch anstreifenden Bühnenbildern. Die Ausstattung stammte von Tsugonhavu Fonjita. Im Hintergrund erkannte man das sich spiegelnde Meer mit Bergen und Wolken, weiters schöne blühende Bäumchen und Treppchen und ein ziemlich naturalistisches Häuschen, dessen typisch japanisches Interieur man in den späteren Akten auch von innen sehen konnte. Aber sie war zeitlos funktionell, sehr repertoiretauglich und jeder Protagonist fand sich zurecht. Von einer Personenregie war natürlich nicht mehr viel wahrzunehmen, jeder spielte nach seinem Gutdünken aber alle durchaus glaubhaft und Großteils auch sehr bewegend.

Viele Opernliebhaber waren damals wohl aus Neugierde gekommen, um den Weltstar Kristine Opolais zu erleben. Die gebürtige Lettin hatte 2016 schon überall weltweit triumphiert, sich bis dahin aber an der Wiener Staatsoper – bisher bloß zweimal als Mimi – sehr rar gemacht. Optisch schlank, elegant, souverän und mit einem klaren Sopran, technisch ausgezeichnet geführt, mit feinsten Piani und allen, mühelosen Spitzentönen ausgestattet. Und sie war eine Gestalterin, die alles aus der Rolle herausholte. Sie vermochte dabei die gesamte Gefühlspalette der unglücklichen Geisha Cio-Cio-San ihre Naivität, Freude und Verzweiflung berührend auch mit sprechender Mimik zu vermitteln. Vor allem ihr Abschied von ihrem Kind war zum Weinen schön. Auch Piero Pretti, den man in Wien als überzeugenden Herzog, Alfred sowie als Rodolfo gesehen hat, gab sein Rollendebüt als Pinkerton. Er war der mit den Gefühlen leichtfertig spielende, amerikanische Offizier mit schön gefärbtem und schmelzigem Tenor und müheloser Höhe.Er gefiel besonders beim Liebes-Duett und war zum Schluss spürbar gebeutelt, als er merkte, dass er ein Leben zerstört hat. Bongiwe Nakani gab 2016 als Suzuki ihr Staatsoperndebüt und sang sie mit schönen, warmen Mezzo. Boaz Daniel war ein kerniger Konsul Sharpless mit viel sympathischem Mitgefühl. Von den kleineren, durchwegs gut besetzten Partien fiel Alexandru Moisiuc als stimmgewaltiger Onkel Bonzo auf. Herwig Pecoraro war ein idealer Goro, Peter Jelosits ein solider Prinz Yamadori. Auch die viele anderen Nebenrollendarsteller und der Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Martin Schebesta) gefielen durchaus, allerdings ließ bei manchen die Präzision etwas zu wünschen übrig.

Philippe Auguin war mit dem Orchester der Wiener Staatsoper vor lauter Eifer manchmal zu forsch im Fortissimo. Doch man hörte stets glühenden Verismo mit starker Emotionalität und einen ungemein aufgefächerten Farbenreichtum.Es wurde insgesamt delikat, flirrend, teils saftig und immer leidenschaftlich musiziert.

Alle bekamen ihren Anteil am Schlussapplaus, vor allem natürlich die wunderschöne, herzergreifende Titelrollensängerin.

Dr. Helmut Christian Mayer

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