Es sind berückend schöne, subtilste Stimmungen in feinsten Piani, die da aus dem Graben ebenso wie aufblühende Kantilenen, leuchtende Farben und intensive Emotionen erklingen: Giacomo Puccinis eingängige, herrliche Melodien aus „La Bohème“ faszinieren im Kärntner Sinfonieorchester am Stadttheater Klagenfurt. Es ist einmal mehr Lorenzo Viotti - Gewinner des „Conductor Award“ 2015 bei den Salzburger Festspielen, der in Klagenfurt schon in den letzten beiden Jahren bei Bizets „Carmen“ wie auch bei Massenets „Werther“ begeisterte, Längst macht er international Karriere und demnächst wird er Chefdirigent in Lissabon. Es ist ihm zu verdanken, dass die Musiker zu Höchstleitungen angestachelt sind. Der Schweizer Dirigent reizt auch die Tempi extrem aus, nimmt sich einerseits viel Zeit und lässt die Phrasen ausschwingen. Drückt dann aber auch ordentlich aufs Gaspedal. Er setzt bei dieser, einer der meistgespielten Opern der Welt auf viele markante Akzente und erzeugt dadurch insgesamt viel Spannung. Und er begleitet das jüngere Sängerensemble wunderbar, ohne es zuzudecken.
Und dieses dankt es ihm mit purem Schöngesang: Ergreifend und innig ist die Mimi der Kiandra Howarth zu hören. Matteo Desole, den man schon im Winter 2017 in Erl bei den Tiroler Festspielen in dieser Rolle bewundern konnte, ist auch hier als Rodolfo mit schmelzigem, höhensicherem Tenor zu hören, der jedoch manchmal seine Lautstärke etwas zügeln sollte. Bryony Dwyer ist eine Musetta in zu dunklem Outfit, die viele Fassetten der Figur herausstreicht und im dritten Bild etwas zu vulgär gezeichnet ist. Kernig, präsent, manchmal etwas knorrig erlebt man Andrzej Filonczyk als Marcello. Gurgen Baveyan hält sich als idealer Schaunard ein Mädchen des horizontalen Gewerbes als Freundin. Riccardo Fassi ist ein sehr kultivierter Colline mit profundem Bass, dem die "Mantelarie“ trefflich gelingt. Auch der Kinderchor der Singakademie Carinthia und der Chor des Stadttheaters Klagenfurt (einstudierung: Günter Wallner) singen und spielen wunderbar und werden von vier Tänzern (Choreographie: Lukas Zuschlag) unterstützt.
„Mimi“: Rasend stürmt Rodolfo die kleine Leiter aufs Dach des Hauses hinauf und schreit dort herzzerreißend seinen Schmerz über den soeben realisierten Tod seiner Geliebten in die Welt hinaus. Es ist ein sehr zu Herzen gehendes Finale, dass Florian Scholz bei seiner ersten Opernregie da eingefallen ist. Sonst erzählt der Intendant die Geschichte vom ergreifenden Leben und Sterben der Mimi konventionell, klar, detailreich, etwas zu wenig feinsinnig und immer hart am Libretto. Aus dem ersten, wichtigen und symbolhaften Geschenk, einem Häubchen von Rodolfo an Mimi macht er allerdings ein Parfum. Er verlegt die Geschichte in die 1960-er Jahre, um so die Zeitlosigkeit des Themas zu zeigen. In Kostümen (Axl Aust) und Bildern (Etienne Pluss) dieser Zeit, von schäbigen, kleinen Zimmern einer sehr schmalen Mansarde, einem auf den Dach eines Hauses befindlichen Cafe Momus, dem allerdings ein Schuss mehr Vitalität gut getan hätte und wo Weihnachten komplett ausgespart wird, und einer grauen Wellblechwand als Kneipe lässt er auch den Witz nicht zu kurz kommen.
Stehende Ovationen!
Helmut Christian Mayer
26. Dezember 2018 | Drucken
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