Puccinis „Manon Lescaut“ an der Wiener Staatsoper: Verdurstet in der Shopping – Mall

Xl_manon_lescaut-grigorian-jadge-wien-2-22-1 © Michael Pöhn

Mondän und elegant ist sie schon diese Shopping Mall, die auch für ein Luxushotel und Nobeldomizil herhalten muss. In diesem ästhetischen Ambiente und sehr schickem Design, zwischen Schaufenstern mit luxuriösen Waren von Chanel, Cartier (Ausstattung: Anthony McDonald) etc. und einer Champagner trinkenden, reichen Glitzer- und Schickimicki – Gesellschaft, aber auch mit Studenten mit Bierdosen, lässt Robert Carsen seine aus 2005 stammende Inszenierung über Geschichte der kleinen „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini abspielen. Jetzt wurde sie an der Wiener Staatsoper wiederaufgenommen. Die krampfhaften und symbolischen Bemühungen des kanadischen Regisseurs, ein im Frankreich des 18.Jahrhunderts historisch und soziologisch verankertes Werk ins Heute zu verlegen, gingen weder 2005 noch gehen sie heute auf. (Wer schickt heute noch seine Tochter ins Kloster?). Man kann noch die Anspielungen auf die heutige mediengeile und gefühlskalte Gesellschaft sowie auf den Konsumwahn akzeptieren und dass die Flucht statt in einer Kutsche mit einem Luxusschlitten erfolgt. Doch es ergeben sich im Laufe des Abends die abstrusesten Abweichungen zwischen Text und der gezeigten Handlung. Die Tanzszene im zweiten Akt wird zur Modeschau, eine Verhaftung wird von den Bodyguards des Geronte vorgenommen. Der Hafen von Le Havre ist im Einheitsbühnenbild nicht erkennbar und Geronte mutiert plötzlich zum Kapitän. Und der unglaubwürdigste Tiefpunkt ist, dass die Titelheldin statt in der Wüste in der Einkaufspassage verdursten muss, weil ihr Geliebter kein Wasser findet. Zumindest aber gelingt es dem Regisseur meist, die Figuren glaubhaft und lebensecht zu führen.

Aber die Inszenierung ist ja schon bekannt! Eigentlich sind ja alle hauptsächlich wegen ihr gekommen und sind auf das Wiener-Debüt von Asmik Grigorian in dieser Rolle gespannt. Und diese wird allen Erwartungen voll gerecht. Sie spielt, wie bei ihr üblich, die Rolle in allen Fassetten, vom schüchternen Landmädchen bis zur Luxusfrau. Strahlend und reich an Nuancen strömt der Sopran der Litauerin. Und gerade in ihrer Sterbeszene ist sie sehr berührend. Brian Jagde gelingt als Student Des Grieux nur eine etwas zu eindimensionale musikalische Gestaltung der Rolle mit recht zurückhaltender Bühnenpräsenz aber auftrumpfenden, leuchtenden Höhen und scheinbar unerschütterlichen Kraftreserven. Boris Pinkhasovich ist ein kerniger, wie ein Zuhälter und Säufer wirkender Bruder Lescaut. Dem unsympathischen Geronte gibt Artyom Wasnetsov, ein Mitglied des Opernstudios, zwar stimmlich solides Profil, sein Spiel ist jedoch recht linkisch. Josh Lovell verfügt als Student Edmondo und in anderen kleinen Rollen über einen jugendlichen hellen, aber recht kleinen Tenor, der immer wieder im Orchester untergeht. Homogen und sehr spielfreudig erlebt man den Chor der Wiener Staatsoper (Einstudierung: Thomas Lang).

Francesco Ivan Ciampa liebt den großen Sound: So lässt der italienische Dirigent bei seinem Staatsoperndebüt die üppigen Puccini Klänge im Orchester der Wiener Staatsoper zwar farbig leuchten und erzeugt auch viele packende, dynamische Effekte, aber ein wenig Zurückhaltung im Fortissimo wäre besser gewesen. Sängerfreundlich ist das nicht und es fehlt teils an feinen und sensiblen Nuancen.

Viel Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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