Es wird sein letzter „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner überhaupt sein: Dies verlautete der Dirigent Franz Welser-Möst schon im Vorfeld dieser Aufführungsserie an der Wiener Staatsoper. Und das ist schade, denn auch jetzt erlebt man bei der „Walküre“ wieder Wunderbares aus dem Graben: Denn subtil, mit feinen Nuancen wird hier musiziert. Der österreichische Dirigent atmet aber auch immer mit dem Duktus dieser herrlichen Musik. Mit stets animierender Zeichengebung lässt er den Musikern des Orchesters der Wiener Staatsoper durchaus Freiraum, die diesen zu herrlichen, lyrischen Momenten aber auch zu großen Klangsteigerungen nutzen. So werden packende Aktabschlüsse und weiträumige Spannungsbögen erzeugt, dabei immer die nötige Transparenz bewahrt und die Sänger fast nie zugedeckt.
Die Titelrolle singt diesmal Ricarda Merbeth. Sie ist eine durchschlagskräftige Brünnhilde mit ungefährdeten Spitzentönen, allerdings mit etwas zu viel Vibrato. Im Finale berührt sie mit großem poetischem Ausdruck und innigem Spiel. Gemeinsam mit dem „Wotan vom Dienst“ Tomasz Konieczny, der diesmal kurzfristig für den erkrankten Eric Owens eingesprungen aber in dieser Inszenierung schon mehrfach aufgetreten ist, bescheren sie uns dabei auch szenisch, großes Musiktheater. Nie Meister einer vorbildlichen deutschen Diktion, weiß er trotz seiner bekannten Vokalverfärbungen und einiger rhythmischer Eigenwilligkeiten aber doch mit weichen aber machtvollen Tönen besonders in seiner Abschiedsszene zu faszinieren, die ja zu den größten, musikdramatischen Momenten in Wagners Schaffen zählt. Simone Schneider gefällt als Sieglinde mit blühendem, schlankem Sopran. Sie ist der Inbegriff der Wagnerschen Liebenden und singt die Partie mit geschmeidiger Stimme, intensiv bis an die Grenze des Möglichen gehend ohne je forcieren zu müssen. Daniel Frank ist ein schönstimmiger und allerdings nicht immer durchschlagskräftiger Siegmund mit recht guten „Wälsungen“-Rufen. Fricka ist die für diese Rolle mit optimaler Stimmfärbung ausgestattete Tanja Ariane Baumgartner, gegen die der Göttergatte aber rein gar nichts auszurichten hat. Ain Anger ist ein machtvoller Hunding, vor dessen Bösartigkeit man das Fürchten kriegt. Er singt ihn mit schwarzem Bass. Die Walküren sind ohne Furcht und Tadel und uneingeschränkt gut.
Sven-Eric Bechtolfs Regie aus 2007 ist unspektakulär. Ohne sich auf politische oder mythologische Deutungen einzulassen, beschränkt er sich einfach darauf, die Gefühle und Beziehungen der Protagonisten in einem kargen Einheitsraum von zweifelhafter Ästhetik (Bühne: Rolf Glittenberg) ohne Angabe einer Zeit und eines Ortes zu erzählen. So gelingt es ihm bei Wotans Abschied von seiner Lieblingswalküre, die auch musikalisch durch sensible Piani zu einem Ereignis wird, ergreifende, tiefe zwischenmenschliche Emotionen zu erzeugen. Spektakulär gelingt mittels Videoeinspielungen auch der finale „Feuerzauber“. Unnötig aufgemotzt wird die Szene jedoch von kleinen Eisenbettchen, Kinderspielzeug oder im Hintergrund vorbeiwandernden Videowölfen oder einem in einem Tuch eingewickelten, toten weißen Wolf. Wie auch der Walkürenritt zu einem lächerlichen Fangenspiel zwischen Kapuzenmännern und blutbefleckten Megären mitten unter Holzpferden degradiert wird.
Zum Finale gab es riesigen Jubel!
Dr. Helmut Christian Mayer
29. Juni 2023 | Drucken
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