Saisoneröffnung am Grazer Opernhaus mit Offenbachs „Les Contes d‘Hoffmann“: Eine meist fantastische Traumwelt

Xl_hoffmann-graz-kmetitsch-10-23-1 © Werner Kmetitsch

Eigentlich ist es purer Luxus: Denn das Grazer Opernhaus bietet für die Eröffnungsproduktion gleich vier verschiedene Regieteams auf. Aber für die unterschiedlichen, phantastischen Geschichten von Jacques Offenbachs „Les Contes d‘Hoffmann“ mit jeweils abgeschlossener Handlung und einer Rahmenhandlung durchaus nachvollziehbar. Jedenfalls ist diese konzeptionelle Idee des neuen Intendanten Ulrich Lenz zu seinem Einstand überwiegend aufgegangen. In völlig unterschiedlichen Bebilderungen zeigt etwa das Kollektiv „1927“ im Olympia-Akt eine Mischung aus Live-Aktionen und animierten Filmprojektionen, mit Stummfilm-Ästhetik und surrealer, aberwitziger Opulenz, was jedoch eine ziemliche Reizüberflutung bewirkt. Protagonisten werden detailverliebt förmlich ins Bühnenbild hineingezaubert. Der „Antonia-Akt“ wird von Neville Tranter in düsterer Atmosphäre auf einem Eisengerüst (Bühne: Stefan Rieckhoff) mittels meist hässlicher Klappmaulpuppen, die mit den Sängern agieren, erzählt, wobei ein dadurch entstandener Mehrwert nicht erkennbar ist. Nanine Linnings „Giulietta-Akt“ wird von starker Bewegungschoreografie dominiert, mit welcher auf einer sich ständig, geräuschvoll drehenden Bühne mit einem bedrohlichen Spiegelwürfel eine Horrorstory erzählt wird. Diese wie auch der Prolog und Epilog, von Tobias Ribitzki inszeniert, sind am wirkungsvollsten. Hoffmann wird zu Beginn als stiller Zecher gezeigt, der in völliger Finsternis am Schreibtisch ein Kerzenlicht anzündet. Am Ende ist er wieder einsam dort und bläst das Licht aus: Insgesamt ein meist fantasievoller Wurf.

Gesungen wird auf hohem Niveau: Matthias Koziorowski ist ein intensiv agierender, differenziert und geschmeidig singender Titelheld mit einem für die Rolle etwas zu lyrischem Tenor. Anna Brull als Muse/Nicklausse verfügt über einen farben- und emotionsreichen Mezzo. Tetiana Zhuravel ist als wunderbar koloraturensichere Olympia eine Entdeckung. Tetiana Miyus als Antonia begeistert wieder einmal mit ihrem blühenden Sopran, Mareike Jankowski ist eine intensive Giulietta. Einzig Petr Sokolov als Bösewicht fällt ab: Er ist zwar bühnenpräsent, aber es mangelt ihm nicht nur an Dämonie, sondern an stimmlicher Durchschlagskraft.

Die kleineren Rollen sind etwa mit Daeho Kim, Mario Lerchenberger und Peter Oh alle gut besetzt. Homogen singt der auch bewegungsmäßig stark geforderte Chor und Extrachor der Oper Graz (Einstudierung: Johannes Köhler).

Im Orchestergraben wartet der neue erste Kapellmeister Johannes Braun, bei den Grazer Philharmonikern mit viel Gespür für Feinheiten und Detailzeichnung aber auch Dramatik auf. Gewählt wurde hier bei der unvollendet gebliebenen einzigen Oper des französischen Komponisten die Michael Kaye/Christophe Keck-Fassung leider ohne Diamantenarie.

Viel Applaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

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