Salzburg - „Anthropozän“ von Stuart MacRae: Gefangen in der Eiswüste

Xl_anthroproz_n-_c_christian_krautzberger-salzburg-5-24-3 © Christian Krautzberger

„Anthropozän“ist der Begriff für unser gegenwärtiges, vom Menschen bestimmtes Erdzeitalter. „Anthropozän“ ist auch der Titel einer 2019 an der Scottish Opera in Glasgow uraufgeführten Oper von Stuart MacRae. Es ist die vierte Zusammenarbeit des schottischen Komponisten mit der Librettistin Louise Welsh und die erste gemeinsame abendfüllende Oper, die jetzt am Salzburger Landestheater als österreichische Erstaufführung gezeigt wird.

„Anthropocene“ heißt auch das Forschungsschiff, das auf einer Expedition am Polarkreis vom ewigen Eis eingeschlossen wird. Durch die Isolation entstehen Spannungen im Forscherteam. Die Wissenschaftler entdecken eine im Eis eingefrorene Frau, die einst von ihrem Stamm geopfert wurde, um ihr Dorf vom ewigen Eis zu beschützen. Sie wird lebendig und erklärt, dass nur durch Blut das Eis rund um das Schiff zum Schmelzen bringen kann. Die Geschichte wird zu einem Kriminalfall. Denn es geschehen zwei Morde, bevor das Eis schmilzt und die Rettung naht.

Die von Themen wie Klimawandel, Opfer, nordischer Mystik und unaufhörlicher Suche nach Wissen aufgeladene Geschichte mit viel dramatischem Spürsinn ist jedoch auch mit Symbolismen überladen, teils auch von einer gewissen Langsamkeit geprägt. Und teils ist ihre Botschaft nicht klar erkennbar. Sie wird auf einem kalten Schiffsdeck samt Mast, teils mit Polarlichtern (Volker Thiele) von der Regisseurin Agnessa Nefjodov sehr eindrucksvoll, ja teils packend wie ein Thriller gezeigt.

An das Sängerensemble werden höchste Anforderungen gestellt: So muss Anita Giovanna Rosati als Ice, als Lebewesen aus dem Eisblock, in kaum mehr singbare Höhen vorstoßen. Auch Meredith Hoffmann-Thomson als Professor Prentice, Leiterin der Expedition („Die Wissenschaft birgt Wunder, die wir nicht verstehen“ ist ihr Credo) und George Humphreys als ihr Mann singen mit Bravour. Kathie Coventry als Daisy gefällt ebenso wie William Ferguson als ihr Vater Harry King, der Schiffseigner. Luke Sinclair ist ein idealer Matrose Vasco. Wohingegen Tristan Hambleton als Kapitän über einen etwas kleinen Bass verfügt und Samuel Pantcheff als Journalist Miles, er wird zum Mörder und später zum Opfer, über eine recht knorrige Stimme verfügt.

Die polystilistische Musik von Stuart MacRae schwankt zwischen Tonalität und Atonalität. Man hört traditionelle Elemente, Impressionismus, Minimalmusik, aber auch Klangflächen, schleifende Intervalle und viel Schlagwerk. Sie erzeugt eine emotionsreiche, teils thrillerartige Atmosphäre. Sie wird vom Mozarteumorchester Salzburg unter seinem Chefdirigenten Leslie Suganandarajah hochambitioniert reich an Facetten und Emotionen fein ziseliert aber auch sehr drastisch musiziert.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer


 

 

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