Salzburg: Bizets „Carmen“ im Zirkuszelt

Xl_carmen-salzburg-5-22-1 © Tobias Witzgall

Jongleure zeigen schon vor Beginn im Pausenzelt ihr Können. Am Seil, am Trapez, mit Fackeln jonglierend und am Boden turnend versprüht dann ein siebenköpfiges Artistenensemble bereits bei der Ouvertüre und bei den Intermezzi durchaus faszinierendes Zirkusflair. Regisseur Andrea Bernard und Ausstatterin Stefanie Seitz haben aus der „Not“ eine Tugend gemacht und Georges BizetCarmen im Zirkusmilieu angesiedelt, was sich als durchaus schlüssig erweist und die Oper von gewissen Klischees befreit. Denn wegen des mehrmonatigen Umbaus des Stammhauses hat das Landestheater Salzburg sein sommerliches Ausweichweichquartier in einem echten Zirkuszelt am Messegelände bezogen. Und das kann sich sehen lassen: Flankiert von historischen Zirkuswägen ist es 36 Meter im Durchmesser, über 12 Meter hoch, hat Platz für knapp 1000 Besucher und versprüht durchaus Charme. Ein Wagnis, dass sich durchaus gelohnt hat. Und als Zuschauer ist man mitten und hautnah im Geschehen, das nicht nur in der Manege, sondern auch auf den Gängen und Rängen zwischen dem Publikum stattfindet. Und alle gehören zum Zirkus. Ist zwar nichts für Puristen, ist aber ein Spektakel mit großen Schaueffekten: So singt Carmen ihre „Habanera“ auf einer schwebenden Mondsichel. Escamillo tritt zuerst im Bärengewand wie ein Dompteur, dann zum Finale mit Motorrad als Messerwerfer auf und als Mittelpunkt einer Menschenpyramide. Die eigentliche Personenführung ist ungemein sorgsam, lebendig und packend gestaltet.

Auch die Akustik kann sich hören lassen: Corinna Scheurle ist eine großgewachsene Carmen mit prachtvoller, raumfüllender Stimme, die auch Erotik versprüht. Luke Sinclair als Don José punktet mit höhensicherem, schönem Tenor. Laura Incko singt die Micaela mit großer Innigkeit. George Humphreys ist ein ungemein viriler und kraftvoller Escamillo. Raimundas Juzuitis als Zuniga, der kurzerhand erstochen und auf ein Seil gehängt wird, verfügt über einen mächtigen Bass. Auch die vielen kleinen Rollen sind gut besetzt. Besonders gefallen Hazel McBain (Frasquita) und Olivia Cosio (Mercédès) sowie der Chor und Kinderchor.

Mit zügigen Tempi und viel Verve ist das bei den Streichern etwa kleiner besetzte Mozarteumorchester Salzburg unter Gabriel Venzago unterwegs, wobei Akzente, Leidenschaft und Feuer nicht zu kurz kommen. Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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