Salzburg: Ein ambivalenter Start mit Wagners „Tannhäuser“ bei den Osterfestspielen

Xl_tannh_user-salzburg-4-23 © Monika Rittershaus

Junge, barbusige Mädchen, die wie Amazonen schon zur Ouvertüre mannigfach Pfeile in das Bild eines Auges schießen. Dann sieht man Pilger, die einen riesigen Goldbrocken tragen, wie auch Rituale eines Männerbundes, die teils wie buddhistische Mönche gekleidet sind. Weiters einen toten Hirsch, dessen Blut sich die Ritter ins Gesicht schmieren, herumliegende Nachbildungen menschlicher Füße, tanzende Gaze-Vorhänge im zweiten Akt, dunkle Leichenaufbahrungen und die Unendlichkeit bzw. Aufhebung der Zeit im letzten Akt: Romeo Castelluccis Inszenierungen – er verantwortet auch die gesamte Ausstattung und das Licht - zu verstehen und zu enträtseln, erscheint sinnlos, schon wegen der Fülle der nicht immer durchschaubaren Ideen, die von Surrealismus, Symbolen und anderem geprägt sind. Zweifellos führen diese zu einem permanenten Staunen lassen aber auch zu vielen offenen Fragen. Zudem wirken diese beeindruckenden Bilder von Richard Wagners „Tannhäuser“ zur Eröffnung der diesjährigen Osterfestspiele im Großen Festspielhaus eher wie eine Kunstinstallation als eine Inszenierung. Denn sie bewirken hauptsächlich langwierige, statuarische Momente speziell im Mittelakt, die auch die inneren Gefühle der Protagonisten selten offenlegen. Man erkennt etwa kein Ringen des Titelhelden, keine Eifersucht von Wolfram.

Es sind die ersten Festspiele in der alleinigen Eigenverantwortung von Intendant Nikolaus Bachler, der mit einer bereits im Jahre 2017 in seinem damaligen Stammhaus der Bayrischen Staatsoper München gezeigten Produktion startet, was ihm mangels einer Neuinszenierung zum Start durchaus auch Kritik einbrachte. Deshalb legt man großen Wert auf die Bezeichnung „Neueinstudierung“.  

„Passend“ zu diesem Steh- und Schreittheater ist auch das Dirigat von Andris Nelsons, der heuer mit dem Gewandhausorchester Leipzig die Osterfestspiele bestreitet. Es ist geprägt von großer Langsamkeit, in einer derartigen „Zeitlupe“ hat man etwa die Ouvertüre noch nie erlebt. Dies geht leider immer wieder auf Kosten der Spannung. Wiewohl sich einige berückende, extrem ausgereizte kammermusikalische Momente von großer Zartheit und von farbiger Klangschönheiten spüren lassen. Man wählte diesmal die sogenannte „Pariser Fassung“.

Die ausladenden Tempi strapazieren auch die Sänger. Es grenzt fast an ein Wunder, dass Christian Gerhaher als exzellenter Wolfram von Eschenbach bei der vom Dirigenten völlig zerdehnten Arie „O du mein holder Abendstern“ trotzdem die Spannung halten kann. Der deutsche Bariton ist mit seiner ungemein kultivierten, edel phrasierten Darbietung überhaupt der sängerische Star des Abends. Ihm in nichts nachstehend liefert Georg Zeppenfeld einen wunderbaren, prägnanten Landgrafen Hermann ab. Auf sein Rollendebüt als Titelheld von Jonas Kaufmann durfte man gespannt sein. Er hat offenbar seine kürzlich in Wien als Radames bei Verdis „Aida“ erlebte Indisposition überwunden. Er beginnt den Tannhäuser sehr bedächtig und vorsichtig, wird dann immer ausdrucksstärker und gefällt mit seinem edlen Timbre. Vor allem die „Romerzählung“ wird zum Ereignis. Ein weiteres Rollendebüt beschert uns Marlis Petersen als Elisabeth, ihre erste Wagner-Rolle überhaupt. Sie singt die Partie ungemein zart und lyrisch, bleibt jedoch auch gestalterisch ziemlich blass. Eine stimmliche Wucht ist Emma Bell als für die erkrankte Elina Garanca eingesprungene Venus. Auch die kleineren Rollen sind unter anderen mit Sebastian Kohlhepp als Walter von der Vogelweide sowie Edwin Crossley-Mercer als Biterolf ideal besetzt. Sehr stimmgewaltig und homogen hört man die vereinten Chöre, den Bachchor Salzburg (Einstudierung: Benjamin Hartmann) und den Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn (Einstudierung: Michael Dvorák).

Zum Schluss gab es viel Applaus und etliche Bravi, vor allem für Gerhaher, in die sich einige Buhs für den Dirigenten und vor allem den Regisseur mischten.

Dr. Helmut Christian Mayer

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