Salzburg: Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker - eine packende Symbiose bei den Festspielen

Xl_muti-wiener-salzburg-marco-borrelli-8-22 © Marco Borelli

Riccardo Muti ist ein Phänomen: Obwohl er heuer seinen 81. Geburtstag feiert, strotzt er vor Vitalität und Dynamik, sodass man ihm sein Alter weder glaubt noch ansieht. Weiters ist es auch schwer zu glauben, dass er seit seinem Debüt 1971, die Einladung dazu erfolgte damals durch Herbert von Karajan, bis heute nahezu jedes Jahr bei den Salzburger Festspielen aufgetreten ist und hat hier zahlreiche Opern und noch mehr Konzerte dirigierte.

Riccardo Muti gilt quasi als ein Urgestein dieses Festivals. In letzterer Zeit dirigierte er immer drei Konzerte mit den Wiener Philharmonikern um den Feiertag Mitte August. So auch dieses Jahr im dreimal ausverkauftem Großen Festspielhaus, mit einer diesmal sehr ungewöhnlichen Programmzusammenstellung: Gleich zu Beginn faszinierte er und die in Höchstform agierenden Musiker bei der „Pathétique“, so der Beiname der 6. Symphonie von Peter Iljitsch Tschaikowsky, den ihr sein Bruder Modest verliehen hatte. Die Uraufführung fand 1893 statt. Hier wurden die tiefste Verzweiflung und all der resignierendeWeltschmerz im „Requiem“ des russischen Komponisten, der wenige Tage nach der Uraufführung verstarb, spürbar. Alle emotionalen Klimazonen wurden mit einem wunderbaren Farbenreichtum und aufwühlender Kraft durchfegt. Mitreißende, große dynamische Spannungsbögen wurden effektvoll aufgebaut, Lyrismen ausgekostet, wobei ausbalanciert und präzise musiziert wurde. Und ohne großen gestischen Aufwand setzte Muti diese Musik, speziell im effektvollen dritten Satz in Gang. Und er beherrschte auch ideal die Phasen zwischen Aufbäumen und Erlöschen im melancholischen Finale.

Nach Pause dann die Rarität „Von der Wiege bis zum Grabe“, Franz Liszts letzte symphonische Dichtung. Hier wurde das dreiteilige Stück, eine Lebensgeschichte, ein Kampf ums Leben, von den Musikern zu Beginn mit aller Sanftheit dann aber doch etwas aufbrausend und schließlich mit einer schmal instrumentierten Abschiedsmusik ideal wiedergegeben.

Opulent und prächtig schließlich erklang der Beginn der kolossalen Oper „Mefistofele“ von Arrigo Boito, der eher als Librettist von Giuseppe Verdis Opern „Otello“und „Falstaff“ bekannt ist. Hier wurde der „Prolog im Himmel“ mit den wunderbaren, auf Überwältigung zielenden Klanggewalten aber auch alle Lyrismen musiziert: Da hört man die gesamte Bandbreite von düsteren fahlen über wunderbar feinen, lyrischen bis zu schwelgerisch, hochdramatischen Klängen damt Ferntrompeten.Von großer Präsenz, schon allein wegen seiner hünenhaften Gestalt, und von gewaltiger Stimmgewalt erlebt man als Mefistofele den schwarzen Bass des Ildar Abdrazakov, sehr diabolisch und durch und durch böse. Stimmgewaltig auch die Vereinigung Wiener Staatsopernchor (Einstudierung: Huw Rhys James) und der Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor (Einstudierung: Wolfgang Götz).

Riesiger Applaus und stehende Ovationen!

Dr. Helmut Christian Mayer

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