Salzburg: Verdis „Aida“ als grell buntes Computerspiel-Spektakel - Die Flucht in die virtuelle Welt

Xl_aida-salzburg-11-23-5 © Tobias Witzgall

Er trägt einen dunkelblauen Anzug und schwebt in einem modernen Schlafzimmer über der Bühne. Es ist Radamès, ein Top-Manager und er ist frustriert. Neben ihm liegt seine Frau Amneris. Aber in der Ehe läuft nichts mehr. Deshalb flüchtet er sich spielsüchtig mit einer Virtual-Reality-Brille in ein Videospiel, ins Reich der ägyptischen Pharaonen und fantasiert sich eine neue Liebe namens Aida herbei: So sieht dies zumindest Andreas Gergen. Denn der deutsche Regisseur zeigt die populäre Paradeoper „Aida“ von Giuseppe Verdi haben in einer Produktion des Salzburger Landestheaters in der Felsenreitschule als Computerspiel mit ständigem Wechsel zwischen Realität und Fantasie. Zu Beginn und zwischendurch tauchen alle Mitwirkenden als Managertypen mit Aktenkoffer auf, inklusive einem seltsamen Kofferballett. Dann wieder tragen sie wilde Fantasy-Kostüme, an Science-Fiction Krieger erinnernd mit Laserpistolen oder Lanzen. Schließlich wird alles immer mehr vermischt, verfremdet und dadurch für den Zuschauer immer verwirrender, schwerer nachvollziehbar. Zudem wirkt die grelle, optische Umsetzung (Bühne: Stephan Prattes) ziemlich überladen. Dazu tragen fast ständige Computeranimationen, eine riesige aufblasbare, weiße Figur und rote, herunterhängende Stoffbahnen, offenbar Blutströme darstellend, bei. Das mag alles zeitgemäß, spektakelhaft, und staunend machen aber man fragt sich immer wieder nach dem Mehrwert dieser Konzeption.

Die musikalische Umsetzung hingegen ist exzellent: Musikdirektor Leslie Suganandarajah am Pult des Mozarteumorchesters Salzburg sorgt für Präzision, Balance, Spannung, Sängerfreundlichkeit und viele Schattierungen.

Cristiana Oliviera im knappen Lederoutfit besticht als fulminante Titelheldin mit Empathie, dramatischer Attacke aber auch empfindsamen Piani und füllt mit ihrem ausdrucksstarken Sopran mühelos den großen Raum der Felsenreitschule. Oksana Volkova singt die Amneris mit prachtvollem Timbre und spielt sie eindrucksvoll. Milen Bozhkov ist trotz eines Lichtschwerts ein zu wenig präsenter Radamès und wirkt im virtuellen Kriegerlook seltsam komisch. Stimmlich punktet er mit höhensicherem Tenor. Aris Argiris ist ein stimmgewaltiger Amonasro, der zuerst als Manager eines Konkurrenzunternehmens gezeigt wird, Martin Summer ein nobler Ramfis, Daniele Macciantelli ein imposanter König. Bestens disponiert sind der Chor und Extrachor des Salzburger Landestheaters (Einstudierung: Carl Philipp Fromherz). Dieser und die vielen Statisten sind in teils absurde Trikots, die an Strumpfhosen erinnern, gesteckt (Kostüme: Aleksandra Kica).

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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