Immer leiser wurde das Orchester, bis es nur mehr kaum hörbar erstarb. Danach herrschte minutenlange, atemlose Stille, bis der Jubel losbrach: Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker wussten aber nicht nur zum Finale zu beeindrucken. Denn unter dem souveränen Dirigat des lettischen Maestros, jeden Einsatz gebend und jede Phrase intensiv und auskostend gestaltend, reizte er bei Gustav Mahlers 9. Symphonie im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen die Dynamik bei den extremen Themenkontrasten, den gewaltigen, orchestralen Entladungen wie auch bei den Lyrismen mit einem weichen, gesanglichen Grundzug von kaum mehr hörbaren Pianissimi bis zu lautstarken Fortissimi voll aus. Seine Interpretation war keine Sekunde langweilig, immer spannungsgeladen und packend und die Musiker folgten ihm bedingungslos mit vollem Einsatz.
So wurden die Klangwelten des mährischen Komponisten wunderbar herausgearbeitet. Sehr differenziert und ungemein transparent, mit großer Präzision und ausgereizter Dynamik. In allen Sätzen, auch bei der täppischen Ländler-Parodie im zweiten, wie auch im wilden Totentanz im dritten, fehlte es nicht an stetigen Spannungen und großen Emotionen.
Und genauso erklang Mahlers letzte vollendete Symphonie, deren Uraufführung er nicht mehr erlebte. Sie ist ebenso wie das vorangegangene „Lied von der Erde“ erfüllt von Todessehnsucht, Schmerz und Resignation. Das monumentale Werk entstand unter dem Eindruck quälender Todesahnung und ist voll verinnerlichten Ausdrucks und polyphoner Stimmführung.
Und das Beste kam zum Schluss: Mit Gänsehautfaktor erklang das schmerzvolle Melos des Adagios des Finalsatzes. Sein ausdruckvolles Hauptthema, ein breit strömender, mehrfach variierter Gesang der Streicher, gehört, wie der ganze Satz, zum Überzeugendsten, was Mahler je geschaffen hat. Es wurde mit herrlich warmen, ungemein farbigen Streicherklängen musiziert und endete schließlich „ersterbend“ in tiefster Resignation.
Dr. Helmut Christian Mayer
11. August 2024 | Drucken
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