Tragisch ist er schon der Orpheus Mythos, aber auch eine der schönsten Liebesgeschichten der Literatur, weswegen der Stoff, auch so zahlreiche Dichter und Komponisten inspiriert hat. „L’anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice“ nennt sich Joseph Haydns Version.Diese seltsamste, aber vielleicht auch großartigste Oper Haydns, die mit reichkolorierten, diffizilsten Dacapo- und Koloraturarien sowie ausgedehnten Chorsätzen gespickt ist, erlebte ein eigenartiges Schicksal: Obwohl schon 1791 als Auftragswerk für ein Londoner Theater komponiert, fand die geplante Aufführung mangels Lizenz nicht statt. 160 Jahre mussten vergehen: Erst 1951 wegen Schwächen des Librettos wurde die Opera seria nach Ovid in Florenz unter Erich Kleiber mit Maria Callas uraufgeführt. In Österreich erlebte man Aufführungen bei den Wiener Festwochen 1990 sowie bei den Salzburger Festspielen 1995 (Nikolaus Harnoncourt am Pult ebenfalls schon mit Cecilia Bartoli) und 2005 bei den Haydn-Festspielen in Eisenstadt.
Am Vortag sang sie noch den Orpheus in Glucks „Orfeo ed Euridice“, einen Tag später die Eurydike in Joseph Haydns „L’anima del filosofo“: Cecilia Bartoli ist aber auch ein Phänomen: Sie hat als Intendantin bereits zwölf Mal eine Hauptrolle in einer szenischen Produktion bei den Salzburger Pfingstfestspielen übernommen. Diese letzte Oper Haydns überhaupt wurde jetzt als konzertante Aufführung in der Felsenreitschule gezeigt. Dabei konnte die römische Mezzosopranistin mit wunderbaren Pianissimi und Flexibilität begeistern. Sie war wieder einmal das emotionale Zentrum einer Aufführung und starb auch ungemein anrührend. Auch die Französin Mélissa Petit, tags zuvor als Glucks Eurydike faszinierte auch bei Haydn einmal mehr als Bote Genio mit blitzsauberen Koloraturen und glasklarem Sopran. Auch Rolando Villazón gefiel als Orfeo. Er meisterte die Partie mit allen diffizilen Schwierigkeiten souverän. Thomas Hampson war ein stimmgewaltiger Kreon und sang ihn mit edel gereiftem Bariton. Wieder als Chor im Einsatz: Der oft und sehr gut geforderte Il Canto di Orfeo, von dem auch zwei Chorsänger die kleineren Rollen sangen, der vom Salzburger Bachchor teilweise verstärkt wurde.
Ungemein vital und stilsicher musizierten Les Musiciens du Prince Monaco unter der präzisen und effektvollen Leitung von Gianluca Capuano. Da faszinierten vielen feine, sensible Töne ebenso wie packend dramatisch zugespitzte Akzente. Und der Maestro wusste immer sängerfreundlich zu agieren und mit diesen mit zu atmen.
Dem Publikum gefiel es und es feierte seine Lieblinge.
Dr. Helmut Christian Mayer
01. Juni 2023 | Drucken
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