Und wieder war es ein ungewöhnlicher, ganz intimer Rahmen, als in der weit mehr als 2.000 Zuschauer fassenden Wiener Staatsoper, sich wieder, auf Grund der geltenden Corona-Bestimmungen, lediglich 100 Personen zusammenfinden durften, die sich in riesigen Abständen im Parkett verloren. Alle Logen und Ränge waren wieder leer, als sich viele Ensemblemitglieder des Hauses vor dem eisernen Vorhang zu einem Streifzug durch französische Opern präsentierten, eine Darbietung, die auch im Stream verfolgt werden konnte. Ohne dem formidablen Orchester der Wiener Staatsoper aber begleitet von der vorzüglichen, leidenschaftlichen und einfühlsamen Cécile Restier am Konzertflügel.
Mit einem Blumensträußchen in der Hand und klaren wie auch innigen Tönen eröffnete Rachel Frenkel als Siébel den Reigen mit „Faites-lui mes aveux“ aus Charles Gounods Oper „Faust“. Jinxu Xiahou sang erstmals den Roméo und dessen heldenhafte Kavatine „Ah, lève-toi soleil“ mit warmen und sicheren höchsten Tönen seines Tenors. Ebenfalls aus dieser Oper von Gounod hörte man Svetlina Stoyanova als Page Stéphano mit „Que fais-tu, blanche tourterelle“ mit wohlklingender Mittellage ihres Mezzos. Das Spott-Lied an die verfeindeten Capulets endete damit, dass die Bulgarin frech die Zunge zeigte. Daniela Fally trat dann als Olympia in „Les contes d´Hofmann“ von Jacques Offenbach auf. In der halsbrecherischen Arie „Les oiseaux dans la charmille“ konnte sie mit perfekt-abgestimmter Mimik und Gestik ein beeindruckendes Koloraturen-Feuerwerk auslösen. Wenn die Automatik der Puppe hängen blieb, musste die Pianistin mit einer Fernsteuerung aushelfen oder mit ihrem Fuß fest aufstampfen. Stephanie Houtzeel folgte als Nicklausse und trug kraftvoll die Arie „Vois sousl´archet frémissant“ vor. Margaret Plummer und Valeriia Savinskaia im Glitzer-Look konnte dann mit einer harmonisch-abgestimmten „Barcarolle“ verzaubern können. Samuel Hasselhorn wusste mit wunderbaren Legato-Bögen in der französischen Fassung des Don Carlos von Giuseppe Verdi als Rodrigue bei „C´est moi, Carlos“ Abschied zu nehmen. Eines der schönsten Duette von Tenor und Bariton aus Georges Bizet „Les Pêcheurs de Perles“ schenkten uns Jinxu Xiahou und Orhan Yildiz: „Au fond du temple saint“ erklang mit harmonischem Wohlklang und großer Höhensicherheit. Zum Finale konnte man reichlich Vieles aus Georges Bizets „Carmen“ erlauschen: Margarita Gritskova im Zigeuner-Style mit feurig-rotem Rock, tiefem Dekolleté und einer roten Blume im Haar sang erotisch, provozierend und sägerisch wunderbar die Séguidilla. Ebenfalls im spanischen Look mit roter Rose im Knopfloch und edlen Glitzerschuhen konnte sich Clemens Unterreiner kernig mit der Auftrittsarie des Torero als Escamillo profilieren. „Je dis que rien ne m´épouvante“: Valentina Nafornita besang darin ihre Angst als fein klingende Micaëla. Zuletzt interpretieren gekonnt Zoryana Kushpler, Margaret Plummer, Bryony Dwyer, Leonardo Navarro und Igor Onishchenko das sogenannte Schmuggler-Quintett.
Zum Schluss gab es für die 17 Sängerinnen und Sänger, alle von höchster Qualität, heftigen Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
24. Juni 2020 | Drucken
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