Im Gegensatz zu den Salzburger Festspielen, die in dieser Kooperation mit der Wiener Staatsoper die 1912 durchgefallene Urfassung von Ariadne auf Naxos von Richard Strauss mit dem vorangestellten Schauspiel wählte, wird nun an der Wiener Staatsoper die heute übliche Wiener Fassung aus 1916 mit dem komponierten Vorspiel gezeigt. So auch im Stream, in welchem eine Aufführung vom 23. Oktober 2014 dieser Inszenierung gezeigt wird.
Sven-Erich Bechtolf hat sich wieder ganz in Musik und Text vertieft: In dem schon von den Festspielen bekannten ästhetischen Jugendstilsalon von Rolf Glittenberg, die geschmackvollen Kostüme stammen von Marianne Glittenberg, bleibt er immer dezent am Herzschlag der Handlung. Das jetzt völlig neu inszenierte Vorspiel, ebenso wie die Buffoszenen der Oper werden nicht von Lebendigkeit dominiert, denn für Bechtolf sind das subtile Herausarbeiten der Charaktere und ihre Beziehungen zueinander wie auch die feine Ironie wichtiger. Die „Oper“ selbst, vom reichsten Mann von Wien samt Gefolge von ansteigenden Stuhlreihen wie in einem kleinen Theater beobachtet, mit den drei zerlegten Klavieren, die die „wüste Insel“ versinnbildlichen, verströmt morbide Ruhe, unterbrochen von den buntscheckigen Komödianten, die mit Tretrollern herumsausen.
„Töne, töne süße Stimme…“: Um mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal selbst zu sprechen, hängt dieser Wunsch, ihr noch länger zuhören zu wollen, auch nach dem Ende noch lange nach. Denn Soile Isokowski verströmt als Ariadne betörenden Schöngesang und weiß, blühende Bögen und unendliche Schattierungen zu formen. Aber auch sonst vermag dieser eigenartige aber reizvolle Zwitter aus ernster und komischer Oper aus der Feder des kongenialen Paares Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal mit Protagonisten von höchster Qualität zu begeistern. Daniela Fally singt die mörderisch schwere Partie der Zerbinetta mit großer Flexibilität und agiert mit lässiger Koketterie. „Musik ist eine heilige Kunst“: Wunderbar innige Töne findet man beim Komponisten von Sophie Koch, etwas textverständlicher könnte sie sein. Jedes Wort versteht man hingegen bei Jochen Schmeckenbecher als warmstimmigen Musiklehrer. Mit heldischem Glanz und ganz ohne Mühe singt der leider viel zu früh verstorbene Johan Botha den Bacchus, eine Rolle, an der schon viele Tenöre gescheitert sind. Peter Matic ist ein würdevoll hochmütiger Haushofmeister, der ein Kabinettstück an Schauspielkunst liefert. Auch die vielen kleineren Rollen sind sehr gut besetzt, bei denen Norbert Ernst als Tanzmeister und Adam Plachetka als Harlekin aber auch die drei Nymphen herausragen.
Ein Ereignis für sich: Christian Thielemann und das Orchester der Wiener Staatsoper sorgen für einen musikalischen Triumph. Wie selbstverständlich sorgsam durchgeformt, immer durchsichtig und mit kammermusikalisch delikatem Raffinement, aber auch effektvoll aufrauschenden Klängen bis hin zur Schlussapotheose wird da musiziert, dass es ein reiner Genuss ist.
Was bleibt ist ein passendes Zitat, nochmals von Hofmannstahl: „Ein Schönes war…!“
Das Publikum geriet völlig aus dem Häuschen und reagierte bei den Sängern mit uneingeschränktem Jubel, der sich beim Solovorhang von Thielemann ins Orkanartige steigerte.
Dr. Helmut Christian Mayer
14. Mai 2020 | Drucken
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