Strauss „Elektra“ in Wien: Spannendes Psychodrama von archaischer Wucht

Xl_elektra-groissb_ck-wien-12-23-1 © Michael Pöhn

Es ist sehr erfreulich, dass die musikalische Leitung von Richard Strauss „Elektra“ an der Wiener Staatsoper wieder Alexander Soddy anvertraut wurde, der zuletzt mit Verdis „Otello“ hier am Haus reüssierte und demnächst Humperdincks „Hänsel und Gretel“ dirigieren wird. Der gebürtige Brite, der seine ersten musikalischen Sporen am Stadttheater Klagenfurt verdiente und später GMD in Mannheim wurde, dirigiert das komplexe Werk souverän: Mit packendem Zugriff und exakten Gesten gelingt es ihm, im Orchester der Wiener Staatsoper mitreißende Spannung und archaische Mystik zu erzeugen. Die Musiker entfalten eine luxuriöse Klangpracht, kosten Klangballungen ekstatisch aus, bleiben aber in den von zärtlichen Regungen erfüllten Episoden immer sensibel nur manchmal werden die Sänger etwas übertönt: So wirkt Ricarda Merbeth, kurzfristig eingesprungen für Ausrine Stundyte in dieser kräfteraubenden Titelrolle anfänglich etwas zu wenig stimmkräftig. Sie singt die Elektra aber bald mit gleißender Kraft und reichen Nuancen. Camilla Nylund ist eine höhensichere, wortdeutliche Chrysothemis mit leuchtendem Sopran. Michaela Schusters Klytämnestra besticht mit ungemeiner Präsenz, messerscharfer Autorität. Bei ihr und bei Günther Groissböck versteht man jedes Wort. Dieser singt bei seinem Rollendebüt den Orest mit seinem schönen und warmtimbrierten Bass wunderbar. Thomas Ebenstein ist ein idealer Aegisth. Auch die vielen, kleineren Rollen gefallen.

Es ist auch höchst erfreulich, dass man wieder die Inszenierung von Harry Kupfer aus dem Jahr 1989 zeigt. Sie löste die ungeliebte, bei der Premiere 2015 heftig ausgebuhte Sichtweise von Uwe-Eric Laufenberg ab. Jetzt kann man auf der weitläufigen Bühne wieder den unteren, sichtbaren Teil der Riesenstatue des Agamemnon, dessen abgeschlagener Kopf auf dem Boden liegt, bewundern. Von dieser Figur hängen Seile herunter, die Familienbande symbolisierend, in welcher sich die Protagonisten immer wieder verstricken (Bühne: Hans Schavernoch). Unter dieser spielt sich das Psychodrama von Gatten- und Muttermord nach dem kongenialen Text von Hugo von Hofmannsthal ab. Packend bei dieser Regie vom leider schon verstorbenen, deutschen Regiemeister ist vor allem der Auftritt der Klytämnestra mit ihrer überdimensionalen Schleppe, an der ihre Untertanen wie ein Insektenschwarm kleben; sowie die finale Idee, dass sich Elektra während ihres ekstatischen Freudentanzes in den herabhängenden Seilen von der Figur des Agamemnon verheddert und so zu Tode kommt.

Großer Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

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