Strauss Salome am Theater an der Wien: Opernthriller mit Blutbad

Xl_salome-wien-1-19-1 © Werner Kmetitsch

Grau und kalt ist der Betonbunker mit den steilen Treppen. Soldaten in roten Uniformen (Kostüme: Cedric Mpaka) mit Gewehren bewachen ihn. Weiter oben können sich die hohen Wände öffnen und man wird die Festtafel Herodes sehen sowie später einen riesigen roten Mond. Im Mittelpunkt dieses Einheitsbildes (Julius Theodor Semmelmann), dieser monumentalen Betonarchitektur, sieht man eine heutige Zisterne. Spektakulär wird der Metalldeckel hochgezogen, der an der Unterseite einen Spiegel enthält, was spannende Effekte hervorruft. Darunter hängt an Ketten gebunden die Puppe des Johanaan, ausgemergelt und bleich, wie er sein soll. Dahinter steht ganz in Grau geschminkt, der Sänger.

Wer Nikolaus Habjan engagiert, weiß, was er bekommt: Puppen. So geschehen auch bei Richard Strauss „Salome“ am Theater an der Wien. Zwar wollte der Puppendesigner bei seiner Inszenierung zuerst zur Gänze darauf verzichten. Doch dann konnte er doch wieder nicht widerstehen und es sind zumindest zwei geworden, eine für die Titelheldin und eine für Johanaan. Während Salome mit ihrer Puppe meist sehr eng verbunden ist, die auch manchmal mit Narraboth und Herodes kuschelt, ist das bei Johanaan kaum der Fall. Salomes Tanz wird unterstützt von sechs Tänzern mit nacktem Oberkörper und entwickelt sich beim Hofstaat fast zu einer Orgie. Extrem blutig ist seine Hinrichtung. Der Henker, ein Soldat erscheint mit dem abgetrennten Puppenkopf und einem blutigen Schwert, seine Arme sind bis über die Ellbogen mit Blut verschmiert. Dann gibt er Herodias den Ring zurück und bedient sich essend an der Tafel. Doch Habjan zeichnet darüber hinaus eine ungemein spannende, mit vielen Ideen gespickte, feingezeichnete, sehr psychologisch verdichtete Regie aus, die gefangen nimmt.

Die Personenführung wirkt noch umso mehr, weil er eine Singschauspielerin ersten Ranges hat. Schon wie an der Bayrischen Staatsoper in München letzten Juni fasziniert Marlis Petersen als Salome. Sie spielt die Titelheldin großartig mit allen erdenklichen Fassetten bis zur eigenen Selbstaufgabe nicht nur als unschuldige Kindsfrau, sondern auch als selbstbewusste, wie auch trotzige, laszive und hysterische Prinzessin von Judäa. Auch ihr Gesang ist wortdeutlichst, ein Faktum, das auch für alle anderen Sänger zutrifft, wie auch extrem expressiv, ungefährdet und mühelos sind ihre Spitzentöne und geht unter die Haut. Während ihres faszinierendes Schlussgesangs wälzt sie sich extrem in Blut. Ihr zur Seite ist Johan Reuter ein mit schönem, durchschlagskräftigem Bariton singender, kraftvoller Johanaan. John Daszak singt den Ausbund an Schlechtigkeit, den Herodes mit markantem, höhensicherer und kraftstrotzenden Charaktertenor. Michaela Schuster eine kräftige Herodias. Extrem schön und durchschlagskräftig klingt der Tenor von Martin Mitterrutzner als Narraboth. Auch die vielen kleineren Partien sind alle gut besetzt.

In einer eigens erstellten, reduzierten Fassung von Eberhard Kloke für den filigranen Theaterbau des Theaters an der Wien und den deshalb eingeschränkten Platz, für ein kleineres Orchester – von 104 auf 59 Musiker - erklingt Strauss geniale Musik aus dem Graben. Dort waltet Leo Hussain am Pult des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien. Aber trotz der klanglich kaum bemerkbaren Dezimierung gibt es Steigerungen bis zu gewaltigen Klangexplosionen, die manchmal lautstärkenmäßig überhitzt sind. Und durchgehend ist Hochspannung garantiert mit Gänsehautfaktor, denn es wird mit zugespitztem Expressionismus und schillernden, reichen Orchesterfarben aber auch kammermusikalisch, transparent und dabei immer sängerfreundlich musiziert.

Das Publikum dankt mit Riesenjubel und vielen Bravi, der sich besonders bei Marlis Petersen noch enorm steigert.

Dr. Helmut Christian Mayer

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