In den meisten Opernführern wird „Ermione“ von Gioacchino Rossini nicht einmal namentlich erwähnt.Nach seiner nicht erfolgreichen Uraufführung 1819 in Neapel verschwand seine 27. Oper ja auch 168 Jahre von der Bildfläche bis es 1987 beim Rossini Festival in Pesaro erstmals wieder szenisch gezeigt wurde und zwar mit keinem Geringeren als Gustav Kuhn am Pult. Jetzt eröffnete der Intendant mit dieser selten aufgeführten Opera seria die sommerlichen Tiroler Festspiele in Erl. Und zu Recht, denn sie ist bester Rossini. Ein Rossini-Forscher hielt die Oper sogar für eines der besten Werke der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts.Und dieser Eindruck wird bestätigt, wenn unterKuhns Leitung die wunderbare Partitur vom jung besetzten Orchester der Tiroler Festspiele mit großem Verve, Präzision, vielen Fassetten und Farben musiziert wird.
Wie meist in Erl ist das Sängerensemble auch diesmal hochwertig: Maria Radoeva, die schon im Vorjahr als Rossinis Semiramide begeisterte, ist eine intensive Titelheldin mit reichen Emotionen und reinsten Koloraturen. Eine Rolle, die Rossini seiner Geliebten und späteren Gattin Isabella Colbran auf den Leib geschrieben hat. Svetlana Kotina als Andromaca gefällt mit stimmkräftigem und ausdruckstarkem Alt. Ferdinand von Bothmers Tenor stößt als Pirro immer wieder an seine Grenzen auch durch seine nicht immer einwandfreien Koloraturen. Iurie Ciobanu als Orest singt sehr höhensicher und kraftvoll. Aufhorchen lässt der junge Hui Jin als schönstimmiger Pilade. Die vielen kleinen Rollen sind alle gut besetzt.
Für die Inszenierung zeichnet wieder einmal das Künstlerkollektiv „Furore di Montegral“ verantwortlich, wohinter sich in erster Linie Gustav Kuhn selbst verbirgt, der dem Dirigenten aber nicht das Wasser reichen kann. Zwar wird die ziemlich komplizierte Story aus der griechischen Mythologie, die in Epirus unmittelbar nach dem trojanischen Krieg stattfindet und von Liebe, Eifersucht und Rache handelt, in einem eleganten Ambiente mit abgeschnittenen Säulenkapiteln, von innen leuchtenden Torbögen und so manchen Projektionen (Peter Hans Felzmann) gezeigt. Auch die schicken, historisierten Kostüme (Karin Waltenberger) sind sehr geschmackvoll. Gustav Kuhn ist jedoch in seiner Personenführung zu zurückhaltend. Dagegen sind dem sehr ausbalanciert singenden Chor der Tiroler Fetsspiele wieder eigenartig durchchoreographierte Bewegungen verordnet. Ein im Plot vorgesehenes Kind ist nicht auszumachen, dafür zahlreiche Stoffpuppen, die von den Darstellern herumgeschleppt werden und dann immer wieder in Umhängetaschen verstaut werden. Offenbar der Versuch einer Verbeugung vor dem modernen Regietheater! Jubel!
Helmut Christian Mayer
09. Juli 2018 | Drucken
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