„Tote Stadt“ an der Staatsoper Wien: Eindringliche Realität und surreale Träume

Xl_tote_stadt-wien-2-22-1 © Michael Pöhn

Räume und Wände, die sich verschieben, Häuser, die zu tanzen beginnen, Zirkusartisten, die gaukeln, eine geisterhafte Prozession, die vorbeizieht: Die Bloßlegung seelischer Vorgänge vermischt sich immer mehr mit Visionen. Die Handlung changiert zwischen Realität und Traum. Eindringliche und suggestive Bilder sind es, deren Bann man sich nur schwer entziehen kann. Jetzt wurde diese Erfolgsproduktion aus 2004, die seinerzeit von Publikum und Kritik gleichermaßen gefeiert wurde und nach den Salzburger Sommerfestspielen Einzug in die Wiener Staatsoper hielt, wiederaufgenommen.

Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“ ist ein Geniestreich eines 23-Jährigen! Akustisch und optisch eindringlich, reif und dicht wirkt sie in der Regie von Willy Decker und in der Ausstattung von Wolfgang Gussmann. Ja man kann sie durchaus als Modellaufführung qualifizieren, die den Sinn der Geschichte nicht verändert, hingegen elegant und klar erzählt, ohne sich extrem auf mögliche Deutungsversuche einzulassen. Im psychischen Gefängnis seiner Witwentrauer hockt Paul. Die kokette Tänzerin, die seiner verstorbenen Marie so ähnelt und für Paul eine Wiederkehr seiner Verblichenen ist, wird hier ungemein vital gezeigt, hier wird mehr kokettiert und mehr gestritten als bei so mancher Premiere.

Vida Miknevičiūtė spielt und singt expressiv und intensiv die Doppelrolle der Marietta/Marie mit feinem, anrührenden Vibrato und gestaltet die anspruchsvolle Partie sowie ihr berühmtes Lied „Glück, das mir verblieb“ mit Bravour. In die Rolle des Paul schlüpft Klaus Florian Vogt: Strahlend, mit der ihm gegebenen sehr hellen Lyrik seines Tenors höhensicher, ohne besondere merkbare Anstrengungen bewältigt er die mörderisch schwere Rolle. Seine Figur wirkt darstellerisch entrückt und weltfremd. Adrian Eröd als Frank bzw. Pierrot Fritz glänzt mit eleganten Schöngesang. Glänzend auch die kleineren Partien mit Monika Bohinec (Brigitta), Anna Nekhames (Juliette), Stephanie Houtzeel (Lucienne), Robert Bartnek (Victorin), Lukas Gaudernak (Gaston) und Daniel Jenz (Graf Albert).

Feinsten, farbigen, raffinert aufgefächerten Luxusklang vermitteln das Orchester der Wiener Staatsoper unter dem jungen Dirigenten-Shootingstar Thomas Guggeis. Und trotz der Opulenz der Partitur und des immensen Klangrausches werden die Sänger nicht zugedeckt.

Zum Schluss gab es Ovationen für alle!

Dr. Helmut Christian Mayer

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