Tschaikowskis „Iolanta“ an der Wiener Staatsoper: Eine märchenhafte Idylle

Xl_iolanta-bohinec-yoncheva-c_p_hn-4-25-2 © Michael Pöhn

Es war im Jahr 1900, also vor genau 125 Jahren, da hieß das Haus noch kaiserliche Hofoper und der damalige Direktor war kein Geringerer als Gustav Mahler. Damals setzte dieser Piotr Iljitsch Tschaikowskis letztes Musikdrama „Iolanta“ auf den Spielplan. Nach einigen wenigen Aufführungen landete die Oper jedoch wieder in der Vergessenheit. So war es jetzt höchste Zeit, dass kurze, einaktige Märchenstück endlich wieder an der Wiener Staatsoper zu zeigen, denn es enthält prächtige Musik des russischen Melancholikers.

Die Prinzessin weiß nichts von ihrer Blindheit, die ihr von ihrem Vater, dem König René und dem Hofstaat verschwiegen wird. Sie kennt weder das Licht noch die Welt da draußen. Sie thront in dieser Neuproduktion auf einem die Szene dominierenden, sehr ästhetischen, grünen Hügel inmitten von bunten Blumen, wie Rosen und Mimosen und umringt von gleich angezogenen und mit gleichen schwarzen Perücken ausgestatteten Freundinnen und Hofdamen, in einer schönen Illusion, die sie allerdings nicht wahrnehmen kann.  Am Fuße des Hügels befindet sich ein Miniteich, in dem Iolantha zuerst sinnlich plantscht, oben am Hügelrücken steht ein Bett, in dem sie später schlummern wird. Umrahmt wird die märchenhafte, nicht ganz kitschfreie Kulisse von einer schiefen Palastruine (Bühne: Rufus Didwiszus). Es sind gemeinsam mit den Kostümen (Annemarie Woods) prächtige Bilder eines verwunschenen Ortes. In dieser Traumwelt zeigt Regisseur Evgeny Titov, der bei den kommenden Salzburger Festspielen die „Drei Schwestern“ von Peter Eötvös und nächste Saison auch wieder an der Grazer Oper inszenieren wird, hauptsächlich ästhetische Arrangements mit wenig Bewegung und geizt sehr mit reichen Ideen. Bisweilen wird überhaupt nur an der Rampe, aber dort teils grandios gesungen.

Dafür sorgt einmal mehr allen voran Sonya Yoncheva: Mit enormer auch darstellerischer Präsenz schafft sie, Iolantas emotionale Wandlung glaubwürdig zu versehen und ein tiefgehendes Charakterporträt zu zeichnen. Die dunkle, vokale Pracht des Soprans der Bulgarin punktet mit zartem Schmelz und Innigkeit aber auch strahlendem Forte. Sie vermag anrührend und innig die vielen Nuancen der Rolle auszukosten. Ivo Stanchev singt einen voluminösen, präsenten König René, für dessen Sicherheit zwei ihn stets begleitende Bodybuilder, natürlich mit nacktem Oberkörper, sorgen. Boris Pinkhasovich begeistert als Robert nicht nur in seiner Arie sondern insgesamt mit seinem ausgesprochen schönen Bariton. Dem Tenor von Dmytro Popov als Vaudémont, der Iolantha die Wahrheit vermittelt und den sie zu ihrem Liebhaber auserkort, fehlt es zwar nicht an Höhen aber doch an Volumen. Sehr charaktervoll singt Monika Bohinec die Amme Marta. Auch die vielen kleineren Partien, hauptsächlich aus dem Ensemble, sind mit Attila Mokus als Arzt, Ibn-Hakia, der die Heilung bringen soll, und dem "Mitpfleger" Simonas Strazdas als Bertrand sowie Daniel Jenz als Almerik, Daria Sushova als Laura sowie Maria Zherebiateva als Brigitta adäquat besetzt. Die feschen Mädchen aus Iolantas Gefolge als gut singender Frauenchor des Hauses ziehen sich auch lieber ihre verdreckten Pellerinen über, wenn sie ihre grüne Oase verlassen müssen.

Dirigent Tugan Sokhiev zeigt mit dem Orchester der Wiener Staatsoper, wie diese romantische Klangwelt von allzu großer Süße bewahrt werden kann, ohne ihren emotionalen Gehalt einzubüßen und lässt reich an Schattierungen musizieren.

Zum Finale nach der Heilung zerfällt dann der Illusionskäfig, die Mauern des Palastes stürzen ein und geben den Blick auf eine Endzeitlandschaft frei, eine vom Krieg zerstörte Landschaft. Titov will offenbar zeigen, dass Iolantha nunmehr sehend, noch viel mehr erkennen kann, als ihr lieb ist.

Riesenapplaus!

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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