Uraufführung in Linz: Absurditäten im ewigen Eis

Xl_unter_dem_gletscher-linz-5-22-1 © Martin Winkler

Es sind schon merkwürdige, ja absurde Ereignisse, die sich da in diesem gottverlassenen Dorf am Fuße des Gletschervulkans Snæfellsjökul im Norden von Island abspielen. Und noch skurriler sind die Menschen, die hier leben, wie ein junger Theologe Vebi, der zur Kontrolle vom Bischof aus der Hauptstadt Reykjavik hierher entsandt wurde, feststellen muss. Eigentlich soll er ja den Pfarrer Sira Jon Primus überprüfen, der seinen Seelsorgepflichten in keinster Weise mehr nachkommt. Er hält keinen Gottesdienst mehr ab, keine Taufen und Beerdigungen, hat die Kirche sogar zugenagelt, repariert hingegen Maschinen und beschlägt Pferde. Und seine Frau ist vor Jahren auf mysteriöse Weise verschwunden. Aber Vebi hört auch andere sagenhafte Erzählungen, macht die seltsamsten Bekanntschaften und wird in eigenartige Dispute verwickelt: „Oh Gott, wo bin ich hier, lauter Verrückte!“ stellt er bald treffend fest. Aus diesen skurrilen Situationen wurde nun vom Komponisten Michael Obst mit dem Intendanten des Linzer Landestheater Hermann Schneider, der für das Libretto und die Inszenierung sorgt, als zweite gemeinsame Zusammenarbeit und als Auftragswerk die neue Oper „Unter dem Gletscher“ geformt und nach zweijähriger pandemiebedingter Verschiebung jetzt im neuen Musiktheater uraufgeführt. Als Vorlage diente der Roman „Kristnihald undir Jökli“ des isländischen Nobelpreisträgers Halldòr Laxnes saus 1968. Neben Anspielungen auf die Weltreligionen finden sich darin isländische Mythen und viel Esoterik wieder. Nur, das Werk wirkt weltfremd, es fehlt jegliche Aktualität und das Libretto ergießt sich in vielen Wiederholungen und lässt sich schwer in Musik umsetzen. Wie das Libretto versucht auch die Musik die Absurditäten einzufangen. Der deutsche Komponist, es gibt auch immer wieder gesprochene Dialoge, verwendet zahlreiche isländische Volkslieder, aber auch Kinderlieder, Choräle, Jazz, romantische Schwelgereien und „Vogelmusiken“ als Zwischenspiele. Er ordnet bestimmten Personen gewisse Soloinstrumente zu. Es wurde alles zu einer Nummernoper, die jedoch kein Ganzes bildet. Ingmar Beck gelingt es sehr engagiert, am Pult des hochkonzentriert musizierenden Bruckner Orchesters Linz die Vielschichtigkeit der Partitur einzufangen.Von hoher Qualität ist das Sängerensemble: Allen voran brilliert Anna Alás i Yove in der Hosenrolle des Vebi mit feinen Mezzo, Michael Wagner als bassesgewaltiger Pfarrer, Gotho Griesmeier als seine Frau Ua eine Figur, die es in Island in Sagen und Geschichten immer gegeben hat. Es gefallen auch Martin Achrainer (Alfberg), Fenja Lukas (Haushälterin) und Tina Josephine Jaeger (Fina).Grotesk und amüsant wird die Rolle der drei "Hirten" gezeichnet: Als Hippies der 68er-Generation beginnen sie mit spirituellen Ritualen und lobpreisen ihren Gott Shiva.

Zwei uralte Blockhäuser, viel Schnee und ein drückender Himmel, wo auch immer wieder Projektionen gezeigt werden, später auch noch ein stylischer Bungalow: Das ist die naturalistische Szenerie (Falko Herold), wo Hermann Schneider die grotesken Absurditäten mit einer gewissen Ironie ablaufen lässt.Neben dieser absurden Handlung lässt auch die Musik die dreieinhalb Stunden Dauer lang werden, sodass viele Besucher das Haus in der Pause verließen.

Dr. Helmut Christian Mayer

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