Uraufführung von “Alma“ von Ella Milch-Sheriff an der Wiener Volksoper: Mythos, Muse, Monster

Xl_alma-wien-11-24-5 © Barbara Palffy

Ihr Leben ist ein Mythos und wurde schon mehrfach erzählt, meist über ihre Männer, denn Alma Mahler-Werfel, geborene Schindler hatte einen Hang für geniale Künstler: Mit Alexander von Zemlinsky, Gustav Mahler, Walter Gropius, Franz Werfel und Oskar Kokoschka war sie liiert. Ein überreiches Leben und ein idealer Stoff für eine Oper. „Alma“ heißt die bereits fünfte, abendfüllende Oper der israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff, ein Auftragswerk der Wiener Volksoper, dessen Libretto von Ido Ricklin stammt. In den fünf Akten wird sie als Muse aber auch als Monster mit ihren Männern stationenweise im Rückblick gezeigt. Dabei wird der Fokus auf sie als Mutter und auf ihre fünf Kinder gerichtet, von denen nur eine, nämlich Anna Mahler überlebte. Letztlich erscheinen alle wieder, auf einem Geisterbahnwagen.

Eine graue Halle oder eine Art Remise mit Gleisen im Halbrund ist das Einheitsbühnenbild (Falko Herold), in der mittels Projektionen die Örtlichkeiten, wie ein Friedhof, später ein Salon oder ein Atelier zu erkennen sind. Auf der Beerdigung der als junges Mädchen gestorbenen Manon Gropius auf dem Grinzinger Friedhof beginnt die erste Szene, wo Alma nicht dabei ist. Der Regisseurin Ruth Brauer-Kvam gelingt es, den gesamten Abend effektvoll in Trab zu halten und eine ideenreiche und ausgefeilte Personenführung zu zeigen.  Der sehr homogen singende Chor der Wiener Volksoper, der auch über das Parkett auftritt und aus den Seitenlogen singt, es ist die Wiener Gesellschaft, ist entsetzt, dass die Mutter nicht am Grab ihres Kindes erscheint. Sie gehe nicht auf Beerdigungen, lieber auf Premieren, soll Alma dazu gesagt haben. Erst bei der nächsten Szene erscheint sie, auf einem Klavier liegend, das auf diesen Gleisen hereingefahren wird. In einer Abendrobe, bald nur in einem gelblichen Bodysuit (Kostüme: Alfred Mayerhofer), rauchend, alkoholisiert, antisemitische Reden führend, es die Alma des Jahres 1935. Annette Dasch wirft sich rückhaltlos in diese vokal extrem anspruchsvolle Partie, die sie mit allen Intervallen und Höhen grandios bewältigt. Auch darstellerisch ist sie omnipräsent. Es werden schonungslose Sexszenen verlangt und auch ihre Herzlosigkeit wird intensiv aufgezeigt.

Bei der Auswahl der Männer wurde auch auf die historischen Vorbilder optisch Rücksicht genommen: Der kleine dicke Werfel, den Timothy Fallon mit heldentenoral Timbre singt. Der unablässig nervös an seiner Brille herumfummelnde Gustav Mahler, den Josef Wagner mit wunderbar weichem Bariton singt und ideal darstellt. Der stets tanzende Walter Gropius, eine stumme Rolle für Florian Hurler. Er ist auch für die gesamte Choreographie des Abends verantwortlich. Martin Winkler ist ein herrlich exzentrischer Kokoschka. Auch alle Kinder tauchen auf: Annelie Sophie Müller singt die von Alma ungeliebte Tochter Anna, die einzige Überlebende der Kinder mit feinem Sopran und nobler Klangkultur. Lauren Urquhart ist die von Alma über alles geliebte Manon mit hellen, zwitschernden Tönen. Der Countertenor Christopher Ainslie singt den als Säugling gestorbenen Martin ideal. Hilo Baggio singt mit extremen Koloraturen das ungeborene, abgetriebene Kind von Kokoschka mit einer  langen Nabelschnur ausgestattet. Eine Szene, die ziemlich belastend wirkt. Die kleine Laetitia Arztmann spielt die mit vier Jahren an Diphterie gestorbene Maria entzückend.

Breiten Raum wird auch dem Ego von Gustav Mahler gewidmet, der ihr bald das Komponieren verbietet. Denn er will keine komponierende Gattin, bietet in einem Vertrag Liebe gegen das Opfer der Aufgabe der künstlerischen Ambition. Sie lässt sich darauf ein und verbrennt ihre Noten.

Die Musik von Elli Milch Sheriff ist mäßig modern, meist tonal, fasslich, abwechslungsreich, oft laut, momentweise rührend. Hin und wieder wabern freitonale Akkordnebel, pulsieren drängende Rhythmen oder röhren deformierte Blechfanfaren. Selbst Mahler-, Bach und Mozart-Zitate fügen sich wirkungsvoll in diese Schmelztiegel-Partitur ein wie auch Walzer, Tangos, Märsche. Irgendwie klingt vieles wie schon oft Gehörtes. Omer Meir Wellber befeuert mit riesigen Gesten und Druck das gut disponierte Orchester der Wiener Volksoper.

Großer Jubel, auch für die anwesende Komponistin. Ein großer Uraufführungserfolg beim Publikum!

Dr. Helmut Christian Mayer

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