Eigentlich ist Arrigo Boito der Musikwelt in erster Linie als Librettist von Giuseppe Verdis Opern „Otello“und „Falstaff“ bekannt. Aber er war auch Komponist und schrieb auch eine einzige vollendete Oper über den Fauststoff: „Mefistofele“, in welchem er, wie schon der Titel verrät, das Böse, den Verführer und Menschenverächter in den Mittelpunkt der Handlung stellt, der für ihn die reizvollere Figur darstellt, und Szenen aus Faust I und II miteinander vereint. Das Werk hat durchaus seinen Weg auf die Bühne gefunden, wird aber leider unverständlicherweise viel zu selten aufgeführt, denn es vereint eigentlich alles, was für seine Bühnentauglichkeit spricht.
Das dachte man sich offensichtlich jetzt auch am Teatro La Fenice in Venedig und das zeigt man einen spektakulären, lebendig und ideenreich aber auch teils überfrachtete Inszenierung von Moshe Leiser (auch für das Bühnenbild verantwortlich) und Patrice Caurier. In zeitlosen Kostümen (Agostino Cavalca) wird auf einer leergeräumten oder vollgestopften Bühne agiert: So wird eine Tribüne voll Fußballfans mit reizüberflutenden Videos in der Osterszene gezeigt oder der gespiegelte Zuschauerraum des Teatro La Fenice mit einem eleganten Opernpublikum statt Griechenland. Mit passenden Lichtstimmungen und Feuereffekten in der wilden Walpurgisnacht beim Hexensabbat mit einer großen, schwebenden Weltkugel, bei dem fast die ganze Welt und optisch auch ein Teil des Theaters brennt, entsteht eine albtraumhafte Atmosphäre. Hier ziehen die Regisseure alle nur erdenklichen Register.
Dazu trägt auch ein ungemein bühnenpräsenter Teufel bei: Alex Esposito spielt und singt ihn mit zynischer Dämonie, angstmachender Bösartigkeit und kraftvollem Bassbariton, der auch die extremen Lagen ohne Schwierigkeiten meistert. Piero Pretti singt mit seinem geschmeidigen Tenor den Faust mit müheloser und unmanierierter Höhe. Es mangelt ihm jedoch etwas an Schmelz Seine belkantesk komponierten Arien singt er mit wunderbarer Phrasierung. Maria Agresta ist eine Margherita mit emotionalem Spiel und farbenreichen, kräftigen aber auch innigen Sopran. Überzeugen kann sie aber ganz besonders in ihrer packenden Todesszene. Maria Teresa Leva singt eine wunderbare, stimmlich elegante und ausdruckstarke Elena. In den kleineren Rollen sind auch noch Kamelia Kader als dunkeltimbrierte Marta wie auch als Pantalis sowie Enrico Casari als Wagner zu erleben. Klangvoll und nur selten nicht im Einklang mit dem Graben hört man teils aus dem Off die „himmlischen“ Heerscharen des Chores, deren Einstudierung Alfonso Caiani besorgt hat. Klassisch agiert das Ballett des Teatro La Fenice, dessen Choreographie Beate Vollack kreiert hat.
Nicola Luisotti am Pult des Orchesters des Teatro la Fenice weiß die reichen Nuancen und Farben der Partitur auszuloten. Da hört man die gesamte Bandbreite von düsteren fahlen über wunderbar feinen, lyrischen bis zu schwelgerisch, hochdramatischen, mächtigen und überwältigenden Klängen.
Großer Jubel im vollen Haus!
Dr. Helmut Christian Mayer
16. April 2024 | Drucken
Kommentare