„I Vespri Siciliani“,die Oper von Giuseppe Verdi, die auch an anderen Opernhäusern des deutschsprachigen Raumes selten aufgeführt wird, wurde 1998 an der Wiener Staatsoper erstmals seit genau 119 (!) Jahren wiederum aufgeführt. Jetzt nach 26 Jahren kam es zu einer Wiederaufnahme dieser Produktion.
„I Vespri Siciliani“ war Verdis erster Auftrag für die Pariser Opera anlässlich der Pariser Weltausstellung 1855. Das Libretto stammt von Eugene Scribe, der dem italienischen Komponisten eine Vorlage im Stile der damals modischen „Opera à grand spectacle“ von Meyerbeer und Halèvy lieferte. Der Stoff bezieht sich auf ein historisch verbürgtes Ereignis aus dem Jahre 1282, bei dem in Palermo bei einem Blutbad 2000 Franzosen, die das Land besetzt hielten, von sizilianischen Patrioten umgebracht worden waren.
In seiner Musik trug Verdi den Gepflogenheiten der französischen „Grand Opera“ mit großangelegten Massenchorauftritten, aufregenden dramatischen Effekten und einem obligaten Ballett, welches jedoch bei der Wiener Inszenierung gestrichen wurde, Rechnung. Während die melodienreichen und eingängigen Arien, Duette und Ensembles ganz im Stil der italienischen Oper sowie Verdis eigener Schreibweise verpflichtet sind.
„I Vespri Siciliani" war Verdis 19. von seinen 24 Opern. Er war mit seinen 40 Jahren damals ein reifer Künstler, und hatte seinen „Rigoletto“, „Il trovatore“ und „La traviata“ bereits komponiert. Obwohl das Werk vom Inhalt eines seiner sonst sehr geschätzten Freiheitsthemen behandelt, war der Komponist mit dem Libretto nicht allzu glücklich. Das mag vor allem an dem etwas verworrenem Libretto liegen, das zwar mit Eugène Scribe einen großen Namen als einen der Autoren anzuführen hat, aber Verdi schon beim Komponieren immer wieder zur Verzweiflung gebracht haben soll, wie einigen seiner Briefe zu entnehmen ist. Tatsächlich erreicht das Musikdrama nicht die Einheitlichkeit und Geschlossenheit der anderen Werke seiner mittleren Periode.
Dennoch brachte die Uraufführung der Grand Opéra „Les Vépres siciliennes“ in französischer Sprache 1855 in Paris einen von Verdi nicht erwarteten Erfolg. In Italien erzwang die Zensur zunächst eine Änderung des Titels in „Giovanna di Guzman“ sowie eine Verlegung des Schauplatzes nach Portugal. Die italienische Erstaufführung fand 1855 in Parma statt, weitere Aufführungen in Turin und Mailand folgten 1856. In weiterer Folge verbreitete sich das Werk schnell und wurde ab 1861 unter dem heutigen Titel und der heutigen Fassung aufgeführt.
Weit mehr als 50 nackte, schwarze Stufen ragen auf der Bühne empor und führen ins schwarze Nichts. Diese monumentale, dunkle Freitreppe, inspiriert von persönlichen Erinnerungen des Regisseurs und Bühnenbildners Herbert Wernicke an Palermo, hat natürlich einen Symbolcharakter: Es gibt keinen Ausweg, keinen Schutz und ohne Freude muss das sizilianische Volk die Repressalien der französischen Besatzer ertragen. Wernicke verlegt, an den Kostümen erkennbar, das Geschehen vom 13. ins 19. Jahrhundert, ins Risorgimento jener Zeit, die Franzosen sind blau und alle Sizilianer schwarz gekleidet. Die einen stehen meist links, die anderen rechts auf der riesigen Treppe. Das Bühnenbild ist ein lähmender Faktor, denn durch eine bühnenbreite und hohe Treppe gerät die Vorstellung zur semikonzertanten Aufführung. Und dabei regiert Statik.
Der russische Sänger Igor Golovatenko als Franzose Montforte verfügt über eine starke Bühnenpräsenz und einen durchschlagskräftigen Bariton. Sein großer Monolog, nachdem er erfahren hat, Vater von Arrigo zu sein, bewirkt eine Wandlung vom brutalen Tyrannen zu menschlicheren Zügen. Sein hin- und hergerissener Sohn Arrigo, eine extrem anspruchsvolle Rolle, wird vom amerikanische Tenor John Osborn mit Bravour gesungen. Die Partie der Elena wird von der amerikanischen Sopranistin Rachel Willis-Sørensen mit jugendlich-dramatischer Stimme aber auch perfekten Koloraturen gesungen. Erwin Schrott kann mit seinem Bassbariton und seinem unverwechselbaren Timbre als Rebell Procida punkten, vor allem mit der berühmten Arie „O tu, Palermo“. In Nebenrollen gefallen neben den jungen, vielversprechenden Opernstudiomitgliedern Simonas Strazdas als Béthune wie auch der helle, frische Tenor von Ted Black (Tebaldo), auch bewährte Kräfte aus dem Ensemble. Darunter: Stephanie Maitland als Ninetta, Hans Peter Kammerer als Conte Vaudemont und Norbert Ernst als Daniel, sowie das junge, aber ungemein vielseitig einsetzbare Ensemblemitglied Michael Arivony als Roberto. Eine zentrale Rolle kommt dem Chor der Wiener Staatsoper zu.
Nach seinem gelungenen Hausdebüt bei der Wiederaufnahme von Puccinis „La fanciulla del west“ sorgt Carlo Rizzi am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper mit viel Gespür und Erfahrung für leidenschaftliche Italianitá. Allerdings neigt er dazu, teilweise zu straff und zu laut dirigieren.
Viel Applaus!
Dr. Helmut Christian Mayer
20. Januar 2024 | Drucken
Kommentare