Verdis „Il trovatore“ an der Wiener Staatsoper: Stimmglanz trifft szenische Öde

Xl_trovatore-grigolo_rebeka-c_michael_p_hn-wien-2-25 © Michael Pöhn

Zugegeben die Handlung von Giuseppe Verdis Il trovatore ist schwer nachvollziehbar. Aber die Liebestragödie um zwei Männer, die um die gleiche Frau, die schöne Leonora buhlen, so altmodisch und belanglos wie an der Wiener Staatsoper zu zeigen, ist auch schwer nachvollziehbar. Grund dafür ist die Lesart von Daniele Abbado dieser Produktion aus 2017, die jetzt wieder aufgenommen wurde. Als erstes transferiert er gleich einmal den Plot aus dem fernen 15. Jahrhundert, als die spanische Inquisition eingeführt wurde, in die Zeit des spanischen Bürgerkriegs vor dem Aufziehen des Faschismus und des zweiten Weltkriegs. Warum der italienische Regisseur, dies tut, erschließt sich leider nicht und macht auch keinen erkennbaren Sinn. Dazu ließ er sich von Ausstatter Graziano Gregori ein fleckiges Gewölbe, eine Art Kaserne bauen, einen Einheitsraum, der eigentlich nur beliebig, öd und trostlos wirkt. Wäre beides auch nicht so schlimm, wenn es ihm wenigstens gelänge, diese Szenerie mit dem Beleben der Charaktere, mit einer packenden und mitreißenden Personenführung, wirkungsvoll zu füllen.  Aber die Regie erschöpft sich in Statik, die ans früher so beliebte und in Italien heute noch vielfach gebräuchliche alte Rampen- und Stehtheater erinnert. Speziell der Chor wird nur in steifen Tableaus arrangiert, die immer wieder zu Gruppenfotos einfrieren. Lediglich die rasch wechselnden, bunten Lichtstimmungen und das oft eingesetzte Feuer erzeugen teilweise zumindest eine gewisse Wirkung.

Wenigsten wird die szenische Verlegenheit durch die Hauptrollen veredelt: Marina Rebeka, kurzfristig eingesprungen für die erkrankte Maria Agresta, singt die Leonora bei ihrem Rollendebüt an der Wiener Staatsoper nur mit gelegentlicher Schärfe, mit einem weiten Farbspektrum, delikater Legatokultur und mit Leichtheit und Präzision an Koloraturen. Ihre Arie "D'amor sull' ali rosee" im letzten Akt gerät ihr wunderbar. Ihr geliebter Manrico ist Vittorio Grigolo mit feinem Timbre, viel Schmelz, Flexibilität und ohne Mühen in der Höhe.  Auch seine berühmte Stretta "Di quella pira" gerät ihm mitreißend. Auch darstellerisch schmachtet und leidet er intensiv. Wie meist spielt er jedoch die Rolle zu exaltiert und übertrieben. Clémentine Margaine ist eine ungemein präsente Azucena mit dramatischer Stimmgewalt und unheimlicher Ausstrahlung. Etwas trocken aber mit extrem nobler Linienführung erklingt der Bariton von Artur Rucinski als Graf Luna. Leider ist er darstellerisch völlig passiv gezeichnet. Von den vielen kleineren Rollen stechen besonders Ilja Kazakov als Ferrando hervor. Sängerisch nur selten außer Tritt singt auch der Chor der Wiener Staatsoper, der von Thomas Lang einstudiert wurde, seine beliebten Nummern.

Pier Giorgio Morandi am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper betont eher die noble Seite des Komponisten, wobei es an loderndem Verdi-Feuerwerk vor der Pause fehlt. Dafür greift er immer wieder stark in die Fortissimo-Kiste. Abgesehen von kleineren Abstimmungsproblemen vor allem mit dem Chor erweist sich der italienische Dirigent als exzellenter Begleiter.

Großer Jubel für die Sänger, wobei sich Grigolo wieder einmal als Applaus-Animateur für sich hervortut, und den Dirigenten.

Dr. Helmut Christian Mayer

 

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