Wie der körperlich beeinträchtigte Hofnarr zum Finale sein totes Kind beweint, muss jedermann tief ergreifen. Es ist immerhin jener Schlüsselmoment, wo das eben noch krasse, realistische Drama ins Romantisch - Irreale entrückt wird. Wieder einmal lässt Giuseppe Verdi eines seiner geliebten Geschöpfe mit einer wunderbaren Melodie sterben. Am Stadttheater Klagenfurt findet man bei der Neuproduktion von „Rigoletto“ bei der letzten und den anderen Begegnungen des Titelhelden mit seiner über alles geliebten, behüteten Tochter in seiner geheimen Parallelwelt immer starke Momente mit großem, leidenschaftlichem Ausmaß. Dies ist vor allem Marian Pop zu verdanken. Denn er musste wie schon bei der Generalprobe nach der Pause, jetzt bei der Premiere kurzfristig für den erkrankten Boaz Daniel einspringen. Sein Rigoletto, er trägt eine Beinschiene, ist im Vollbesitz seiner sängerischen Fähigkeiten: Kraftvoll und kernig singt er den Hofnarren aber auch berührend mit allen Seelenregungen.
Aber er sollte an diesem Abend nicht der einzige Ausfall sein, wie uns der Intendant Aron Stiehl zu Beginn mitteilte, denn auch die Rolle der Maddalena musste krankheitsbedingt noch kurzfristiger mit Amelie Baier nachbesetzt werden. Sie spielt diese zwar nicht allzu verführerisch, kann aber mit ihrem schönen, dunklen Timbre punkten.Sehr mädchenhaft und mit seelenvollen Piani, ja fast engelhaft und ungefährdeten Höhen erlebt man Sarah Gilford als Gilda, ein weiteres sängerisches Highlight. „La donna è nobile“: Nicht nur bei diesem Ohrwurm gefällt Alessandro Scotto di Luzio als sie verführender, sehr viriler Herzog von Mantua mit geschmeidigem, kräftigem und höhensicherem Tenor. Nur manchmal setzt er einige Töne zu tief an. Antoin Herrera ist ein solider und wenig furchteinflößender Sparafucile. Stimmkräftig, manchmal sogar zu laut vernimmt man auch den Chor des Stadttheaters Klagenfurt, dessen Einstudierung Günter Wallner besorgte. Nicholas Milton lässt im Kärntner Sinfonieorchester zügig und dramatisch zugespitzt musizieren. Manchmal nimmt er jedoch zu wenig Rücksicht auf die Sänger und lässt einen ziemlichen Lautstärkenpegel zu. Er entfachte aber mit vielen dynamischen Abstufungen große Spannung und Leidenschaft.
Rot ist die Szene mit dem Vorhang und den roten, ziemlich geschmacklosen Kostümen des Hofstaates, deren Männer enge Strumpfhosen und Kapuzen tragen müssen. Nüchtern und spartanisch ist das Gerüst, das als Palast, Rigolettos Domizil aber auch als Sparafuciles Haus dient und mit kleinen Räumen kaum Bewegungsfreiheit (Ausstattung: Sascha Gross) zulässt. Recht konventionell und recht statisch ist insgesamt die Personenführung von Robert Schuster, der hauptsächlich Schauspiel und kaum Oper inszeniert.
Dr. Helmut Christian Mayer
24. März 2022 | Drucken
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