Verdis "Simon Boccanegra" am Stadttheater Klagenfurt: Sängerfest im düsteren, emotionsarmen Ambiente

Xl_simon_boccanegra-klagenfurt-10-19-1 © Arnold Pöschl

Völlig im Dunkel liegt der von gleißendem Neonlicht umrandete Raum. Langsam heller werdend sieht man darin eine erhängte Frau baumeln. Es ist Maria, die Geliebte des Titelhelden, die offensichtlich Selbstmord begangen hat und zu dessen Füssen dieser auch zum Finale sterben wird. Daneben steht ein lebendes Pferd, offenbar als mythologisches Symbol für die Begleitung von Seelen in den Tod gedacht: Dieses Anfangs- und Schlussbild von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“ am Stadttheater Klagenfurt, eine Koproduktion mit der Opéra Dijon und Rouen, wo die Inszenierung schon gezeigt wurde, ist eine recht plakative Idee von Philipp Himmelmann. Der deutsche Regisseur hat dem krausen Libretto mit vielen Ungereimtheiten von Arrigo Boito um Betrug, Machtgier und zu spät erkannten Familienbanden auch noch einen gewaltigen Modernisierungsschub verpasst. Er lässt die Geschichte, neben dem „Troubadour“ wirklich die verworrenste, die Verdi je vertont hat, nah am Heute in einem düsteren, hässlichen, braungrauen, beengten Einheitsraum (Bühne: Etienne Pluss) in heutigen Kostümen von wenig Geschmack (Kathi Maurer) spielen. Offenbar will uns der deutsche Regisseur das Zeitlose der Geschichte aus dem 14. Jahrhundert vor Augen führen und ein Sittenbild unseres Politikzeitalters zeigen. Macht steht über Moral. Das mehrfach besungene Meer lässt sich nur auf einem Bild erkennen.

Die Personenführung insgesamt wirkt belanglos und teils statisch. In der Senatsszene wird durch hektisches Herumblättern und Werfen von Akten bemüht Bewegung erzeugt. Vor allem aber schafft es Himmelmann kaum, echte Gefühle oder gar Leidenschaften zu vermitteln. Und so lassen Schlüsselszenen wie jene, wo sich Vater und Tochter wiederfinden oder der Tod des Titelhelden seltsam kalt. Bei beiden Szenen wird entgegen dem Libretto jegliche Nähe zwischen den Figuren völlig vermieden und sie gehen ständig auf absolute Distanz. Lediglich in der vorletzten Szene kommen zwischen Simone und Fiesco, in der.dieser erkennt, dass Amelia/Maria seine verloren geglaubte Enkelin ist, Gefühle auf.

Die musikalisch wunderbar reife, fast ohne Ohrwürmer auskommende Oper bedarf außergewöhnlicher Sänger. Diese hat man für Klagenfurt gefunden: Vittorio Vitelli verstrahlt als unglücklicher, ehemaliger Korsar nicht nur starke Bühnenpräsenz, sondern vermag auch mit schönem Timbre zu berühren, wiewohl er so manche Lyrismen noch feiner ausformen hätte können. Aber auch sein feindseliger Widerpart ist mit Luciano Batinic als nobler, würdevoller Jacopo Fiesco gut besetzt. Es fehlt ihm jedoch etwas an Bassesschwärze. Robert Watson singt den Gabriele Adorno mit viel Schmelz und schönen, ungefährdeten Höhen. Selene Zanetti als Amelia Grimaldi phrasiert innig mit glasklarem Sopran. Von beeindruckender Kraft hört man Csaba Szegedi als finsteren Bösewicht Paolo. Achtbar hört man Evert Sooster als Pietro. Stimmgewaltig und sehr homogen singt auch der Chor des Stadttheaters (Einstudierung: Günter Wallner).

Am Pult des Kärntner Sinfonieorchesters zeigt Nicholas Carter durchaus packende Gestaltungskraft bei den dramatischen Szenen. Die feinen Lyrismen wirken jedoch zu zurückhaltend, da hätte man sich einen stärkeren emotionalen Ausdruck gewünscht.

Viel Jubel!

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading