Verdis „Un ballo in maschera“in Klagenfurt: Grotesker Thriller zwischen Glitzer und Plüsch

Xl_maskenball-klagenfurt-11-22-2 © Martin Steinthaler

Er ist ein absoluter Exzentriker. Er liebt auffällige, völlig überzogene Glitzergewänder, die er schon beim musikalischen Vorspiel durchprobiert. Stets benimmt er sich wie ein Kind, liebt den Spaß, albert herum, tänzelt, springt und lacht viel. Nichts nimmt er ernst, sondern alles auf die leichte Schulter und veräppelt ständig seine Umgebung. Und sein ganzer Hofstaat muss da immer wieder auch im Glitzer- und Plüschlook durchchoreographiert tanzend mitmachen. Zudem hat er ein recht inniges Verhältnis zu seinem Pagen Oscar und seinem besten Freund Renato: So sieht Bernd Mottl den König von Schweden Gustavo in Giuseppe VerdisUn ballo in maschera“ („Ein Maskenball“) am Stadttheater Klagenfurt.

Einen Königsmord auf der Bühne zu zeigen, war 1859 undenkbar. Deshalb verlangte die gestrenge Zensurbehörde von Verdi, seine Oper, die auf der historisch wahren Ermordung des schwedische Königs Gustav III 1792 bei einem Maskenball beruht, nach Boston zu verlegen. Der deutsche Regisseur zeigt, wie auf den Bühnen heute üblich, jedoch die originale Version.

Gewisse Schlüsselszenen werden als grotesker Thriller inszeniert: Es stürmt, dunkle Wolken ziehen über die düstere Szene mit dem alten Haus. Wie neben wenigen geschmackvollen Versatzstücken überhaupt ständig mit eindrucksvollen Projektionen, die teils die Kulissen ersetzen, gearbeitet wird. Zum Liebestreff des Königs auf der Richtstatt fährt Amelia über einen dunklen Waldweg und lässt dann ihren Oldtimer Mercedes dekorativ auf der Bühne stehen. Diese Szene, wie auch ihre nachfolgende Auseinandersetzung mit ihrem eifersüchtigen Mann im modernen Penthouse (Ausstattung: Friedrich Eggert) und den Mord beim Maskenball mit prächtigen historisierten, blauen Roben sind sehr packend inszeniert. Auch in den Massenszenen erkennt man exzellentes Handwerk. Manche von den reichen Ideen sind jedoch fragwürdig, wie etwa die Szene im Haus der Wahrsagerin Ulrica, das in ein Bordell mit rotem Plüschmobilar umfunktioniert ist und wo die Damen des Chors wie Prostituierte leichtgekleidet von den Männern körperlich drangsaliert werden. Oder wenn zum Finale der tote König mit einem langen Hermelinumhang kitschig in den Himmel entschwebt, was beim Publikum für (gewollte?) Heiterkeit sorgt.

Für fünf Glanzpartien ist das Werk geschrieben, großteils wird hier dieses Attribut erfüllt: Erste Sahne ist Matteo Desole als Gustavo – er war schon 2018 als Rodolfo in Puccinis „La Bóheme“ hier am Stadttheater zu erleben - mit höhensicherem Tenor. Er versprüht ungemein viel Italianitá und Schmelz.  Gustavo Castillo als sein bester Freund und späterer Mörder Renato verfügt über einen warmen Kavaliersbariton, der sehr ergreifend seinem Schmerz Ausdruck verleiht. Elizabeth Caballero als Amelia hat eine Riesenstimme, die sie auch in den richtigen Momenten zurücknehmen kann.  Aytai Shikhalizada ist eine kraftvolle, etwas zu wenig bühnenpräsente Ulrica, die mit ihrer Tiefe besticht. Ava Todd als sehr leichtfüßiger Page Oscar fällt etwas ab, besticht aber mit meist sauberen Koloraturen. Solide singen die Verschwörer und die vielen kleineren Rollen. Stimmgewaltig und fast immer im Takt hört man den Chor und Extrachor des Stadttheaters Klagenfurt (Einstudierung: Günter Wallner).

Verdis Musik lotet die Extreme des menschlichen Lebens aus und changiert zwischen Komödie und Tragödie, Frohsinn und Verzweiflung, Leidenschaft und Drama. Dies gelingt auch dem Kärntner Sinfonieorchester unter dem stets animierende Nicholas Milton. Vom packenden Brio des Orchesters mit teils sehr straffen Tempi und der Flut der verdischen Melodien wird man immer akzentreich und spannungsvoll mitgerissen. Es werden aber auch die lyrischen Phasen ausgekostet.

Stehende Ovationen!

Dr. Helmut Christian Mayer

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading