Volksoper Wien: „Die letzte Verschwörung“ - Eine absurde, satirische Mythos-Operette von Moritz Eggert

Xl_letzte_verschw_rung-eggert-wien-4-23-4 © Barbara Palffy

Eigentlich beginnt es ja völlig harmlos: Friedrich Quant ist ein erfolgreicher TV-Moderator, der in seinen Talkshows gerne seine Gäste aufs Korn nimmt. Als jedoch eines Tages der Schwurbler Dieter Urban dabei ist, der die Erde für eine Scheibe hält und als Beweis sogar ein entsprechendes Modell mitgebracht hat, gerät der zuerst sehr skeptische Quant immer mehr in den Strudel der Verschwörungsmythen und beginnt an Wirklichkeit und Wahrheit immer mehr zu zweifeln. Und immer, wenn er glaubt, die Wahrheit enthüllt zu haben, tut sich wieder eine neue unglaubliche Verschwörung auf. Anfänglich noch irgendwie nachvollziehbar wird die Handlung im Laufe des Abends immer skurriler und absurder. Und wenn Reptilienwesen, die die Welt beherrschen sollen und sich mit seltsamen Zeichen verständigen, auftauchen, wie auch Außerirdische, künstliche Intelligenzen, simulierte Welten oder Pizzen aus Menschenfleisch kippt das Geschehen ins völlig Absurde und Überzogene: Das ist die haarsträubende Handlung von „Die letzte Verschwörung“, der neuen „Operette“ von Moritz Eggert, dessen Uraufführung jetzt als Auftragswerk an der Wiener Volksoper stattfand. Sie ist eine Satire und ein parodistischer Ritt durch die Abgründe heutiger Verschwörungsmythen und beschleunigt immer mehr den sozialen Abstieg von Quant, für den die Folgen immer drastischer werden. Seine Frau lässt sich mit seinem besten Freund ein, seine Kinder erkennen ihn nicht mehr. Quant selbst verliebt sich in die Flat-Eartherin Lara, die sich schließlich als Android entpuppt. Das neue Telekom-Netzwerk 6H wird von einer Reptil Oligarchin gemeinsam mit dem Kanzler auf den Weg gebracht. Der Schwurbler wird plötzlich zu Mr Goodman, einem FBI-Agenten. Erst zum Schluss dämmert Quant selbst vielleicht Teil einer großen TV-Show oder einer Computersimulation gewesen zu sein.

Volksopernchefin Lotte de Beer hat inszenatorisch selbst Hand angelegt. Trotz dieses Handlungswirrwarr gelingt ihr eine recht flotte und temporeiche Inszenierung mit schnellen Szenenwechseln. Allerdings bleibt der Witz oft auf der Strecke. Mitunter groteske Kostüme (Jorine van Beek) und eine viel rotierende Drehbühne mit teils filmischen, teils stilisierten Kulissen (Christof Hetzer) und die heute unvermeidlichen Videos orientieren sich an filmischen Vorbildern, etwa an „Independence Day oder „Man in Black“ oder „Matrix“. So manche Szene wirkt aber recht seltsam. Gegen Ende stürmt Lotte de Beer selbst auf die Bühne und fordert alle auf, ihre Rollen emotionaler zu gestalten.

Ist das Libretto, das ebenfalls vom Komponisten stammt, doch recht trivial, so kommt die Musik als bunter, gut anhörbarer Mix von Stilen daher. So sind etwa auch kleine Schlager oder gruselige Elemente zu hören. Ohrwürmer wird man allerdings vergebens suchen und für eine Operette ist die Musik zu spröde. Eigentlich ist sie simple Gebrauchsmusik, die eher nach dem Musical Genre klingt. Meist völlig tonal komponiert und nur selten etwas schräg. Die Erzählstimme aus dem Off gehört auch Eggert.

Mit viel Verve und Spielfreude hört man das Orchester der Wiener Volksoper unter Steven Sloane.Ti­mo­thy Fal­lon ver­leiht dem Friedrich Quant mit aus­drucks­star­kem, höhensicherem Tenor glaub­wür­dig Ge­stalt, Re­bec­ca Nel­sen als Ver­füh­re­rin Lara treibt ihn mit Tem­pe­ra­ment und markantem Sopran vor sich her. Daniel Schmutzhard verleiht dem Kanzlerreptil die Aura eines stets grinsenden Unholds. Orhan Yildiz stattet den Schwurbler Urban mit der nötigen Stimmschwärze und Klangfülle aus. Auch die vielen kleineren Rollen sowie der Chor und Kinderchor der Volksoper (Einstudierung: Roger Diaz-Cajamarca) agieren und singen sehr gut. Auch die Mitglieder des Wiener Staatsballetts (Choreographie: Otto Pichler) machen schmissige und exzellente Figuren.

Viel Beifall!

Dr. Helmut Christian Mayer

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