Wagners „Der fliegende Holländer“ in Mannheim: Verfangen zwischen den Seilen

Xl_holl_nder-mannheim-7-22 © Christian Kleinert

Die beiden tänzerischen Doubles sind omnipräsent: Sie stehen sowohl dem Titelhelden, wie auch Senta stets zur Seite und zeigen deren getanzte Seelenzustände mit sanftem aber auch wildem Ausdruckstanz. Es sind Michael Bronczkowski im Programmheft als Traum-Holländer bezeichnet und Delphina Parenti (Traum-Senta). Wahrscheinlich sind sie nur Halluzinationen, die im Kopf von Senta stattfinden. Sie sind es auch, die reichlich interagieren, während die eigentlichen sängerischen Protagonisten überwiegend zu statuarischem Singen verdammt sind: Diese Verdoppelung von Figuren und die Traumidee ist eigentlich nicht wirklich neu, man es selbst schon öfters erlebt, und sieht es jetzt wieder bei der neuen Produktion von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ am Nationaltheater in Mannheim in der Inszenierung des Schweizers Roger Vontobel aus dem April dieses Jahres, die jetzt auch im Stream zu erleben ist. Man will ja dem Regisseur, er ist erster Linie Theaterregisseur, nichts unterstellen, aber mit dieser Konzeption entsteht oftmals die Versuchung, die eigentlichen Sänger nicht allzu detailliert führen zu müssen. Dabei kann er es, wie man an den Chorszenen bemerkt.

Durchaus eindrucksvoll ist das Bühnenbild von Fabian Wendling mit großer Ästhetik, fast eine Kunstinstallation. Mit Seilwinden verleiht er der Bühne Struktur und schafft Illusionsräume, mal wie ein Gefängnis mal wie ein Spinnennetz wirkend.In dieser Unmenge von Seilen, die Takelage des Schiffes andeutend, verfangen sich die beiden Doubles immer wieder. Das Schiff des Holländers ist als offenes Gerippe dargestellt, das von oben herabschwebt und mit ihm zu Finale entschwebt. Dies macht auch die Traum-Senta, die an einem Strick hochgezogen wird, während die echte, die schizophrene an einem Bootsstrick auf einem Video baumelt. Apropos Videos, diese mit dem Auge Sentas, zu Szenen des Meeres und verschiedensten Überblendungen des Bühnengeschehens bringen keinerlei neue Erkenntnisse.

Eigentlich schon etwas zu schwer ist der durchschlagskräftige Sopran von Daniela Köhler für die Rolle der Senta, dennoch singt sie die Figur mit ausnehmender und berührender Klarheit. Völlig intonationssicher und mit einem ausgesprochen schönen, mit allen Höhen und schwarzen Tiefen ausgestatteten Bass erlebt man Michael Kupfer-Radecky als ungemein präsenten Holländer, der ihn als nicht mehr an Erlösung glaubenden Depressiven darstellt. Ob er letztlich Erlösung findet, bleibt offen. Jonathan Stoughton ist ein darstellerisch etwas hölzernen Erik mit schönem Tenor, der jedoch manchmal in der Höhe an seine Grenzen stößt. Ausnehmend schön ist der Bass als Sung Ha, für dessen Alter die Rolle des Daland vielleicht etwas zu früh kommt. Jugendlich strahlend erlebt man Juray Holly als Steuermann

Er zählt zu den hoffnungsvollen Nachwuchstalenten: der kanadische Dirigent Jordan de Souza. Er weiß das Nationaltheater Orchester Mannheim mit großer Exaktheit und Sorgfalt zu führen. Er lässt sich jedoch bisweilen bei der Tempowahl etwas zu viel Zeit, zergliedert, setzt viele Generalpausen, was auf Kosten der Entfesselung geht. Er muss auch immer wieder den außer Tritt geratenen Chor einfangen.

Viel Applaus ohne Missfallenskundgebungen!

Dr. Helmut Christian Mayer

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