Man hat von Keith Warner in letzter Zeit durchaus Überzeugendes gesehen, etwa in Wien bei Mozarts „Don Giovanni“ oder bei Henzes „Elegie für junge Liebende“ jeweils am Theater an der Wien. Wenn sich der Regisseur dann noch dazu bekennt, sich seit seinem 14. Lebensjahr für Richard Wagner zu begeistern, dann mag es schon verwundern, mit welcher Einfallslosigkeit und von der Ausstattung teils Rätselhaftigkeit er „Die Walküre“ am Royal Opera Hause London Covent Garden inszeniert hat. Zugegeben die Inszenierung stammt aus 2005, ist also nicht mehr ganz frisch. Sie wurde aber im Oktober 2018 aufgenommen und ist jetzt 2020 auf DVD und Blu-ray Disc von Opus Arte (Nr. OABD 7270 D) erschienen. Wenn man bedenkt, welche optische Möglichkeiten die Schlüsselszenen diesen ersten Teils der Ringtetralogie, wie etwa der Walkürenritt oder der Feuerzauber bieten und wie beeindruckend man diese schon erleben durfte, dann ist man verwundert, über einen seltsamen Raum mit eigenartigen Requisiten und einer Eisenspirale mit dem darin steckenden Schwert oder über nur eine langweilige drehbare, weiße Wand oder über Walküren, die mit skelettierten Pferdeschädeln wackeln, offenbar um irgendeine Aktion vorzutäuschen mit vagen Schatten- und Videoprojektionen. Und bei seinem Abschied von seiner Lieblingswalküre schleicht Wotan bloß langsam mit Brünnhilde über die Bühne, um ihr dann einen verdächtig langen Kuss auf den Mund zu geben. Die vielen Farbwechsel tragen auch dazu bei, dem Feuerzauber jegliche Wirkung zu nehmen. Dann ist da noch die Sache mit dem in allen Akten omnipräsenten Sofa mit den Widderhörnern: Auf diese schmiert Hunding im ersten Akt das Blut seiner erlittenen Verletzung, im zweiten dient es als Versteck für Sieglinde und zum Finale als lange Schlafstatt für Brünnhilde. Ein durchdachtes Regiekonzept sieht anders aus! Dabei muss man als Video-Betrachter noch durch die gescheite Kameraführung von Jonathan Haswell nicht ständig die zugemüllte Bühne sehen. Wenigstens funktioniert die Personenführung recht gut.
Königin des Abends ist Nina Stemme, die bei der Höchst-Dramatik noch dazu schön singen kann, mit vielen Schattierungen und einer wunderbaren „Todesverkündigung“. Abgesehen davon ist sie ein so unheldisches, empfindsames, liebenswertes Wotanskind.Vokal beinahe ebenbürtig erlebt man Sarah Connolly als Götter-Gattin Fricka, eine Verführerin im roten Abendkleid, mit roten Haaren, die Wotan nicht mit Zorn, sondern Raffinesse zusetzt.Emily Magee ist für die Sieglinde vielleicht eine Spur zu dramatisch. Man hört schon die Brünnhilde! Aber sie verfügt über einen Sopran von rundem, vollem Klang, präsent auch in der Mittellage. Warum sie zu Beginn sich wie in Wehen auf einem Podest hin- und herwinden muss, bleibt unerfindlich. Stuart Skelton ist ein Stimmprotz und gibt die längsten und kraftvollsten „Wälse“-Rufe aller Zeiten und hält auch noch das blühende „Wälsungenblut“ weit länger hält als vorgesehen. Er verfügt auch über eine wohltönende Mittellage hat, sein Spiel ist eher eingeschränkt. John Lundgren singt den Wotan mit seinem hellen Bariton und seinem gar nicht edlen Timbre durchwegs hart und kalt und meist auch zu eintönig.Fast zu attraktiv für den sehr präsenten Hunding ist Ain Anger mit bassgewaltiger Stimme, die auch in den leiseren Passagen sehr beeindruckt. Er ist als Figur sehr brutal gezeichnet und sein Todeskampf ist hollywoodwürdig.
Antonio Pappano dirigiert das Orchester des Royal Opera House sehr sängerfreundlich, aber wenn angebracht, auch rauschhaft, saftig, aufwühlend und auf Überwältigung setzend.
Wie Nina Stemme wird der Dirigent ganz besonders vom Publikum gefeiert.
Dr. Helmut Christian Mayer
03. Juli 2020 | Drucken
Kommentare